Donauwoerther Zeitung

Mann behauptet bei Polizei, ein Bein verloren zu haben

23-Jähriger täuscht einen schweren Unfall vor und missbrauch­t den Notruf. Außerdem hat er noch Diebstahl, Raub und Körperverl­etzung auf dem Kerbholz. Richterin Andrea Eisenbarth schickt den Mann dafür 15 Monate ins Gefängnis

- VON VERENA MÖRZL

Nördlingen Beide Anklagepun­kte gesteht Mike P.* sofort. Als er sich vor dem Nördlinger Amtsgerich­t äußert, schwingt Reue in seiner Stimme mit. Ja, er habe während der Mess’ 2017 in Nördlingen ein Stück Pizza genommen und einen damals 17-Jährigen ins Gesicht geschlagen. Aber nur, weil ursprüngli­ch eine Bekannte dem 17-Jährigen anbot, für zehn Euro das Stück Pizza in sein Gesicht zu schleudern. Die Sicherheit­skräfte trennten die Streitende­n, später sei man sich im nahe gelegenen Schnellres­taurant wieder über den Weg gelaufen. „Ich hab’ mich an seinen Tisch gesetzt und gefragt, warum er mir hinterherg­ebrüllt hat“, erläutert der heute 23-jährige P. weiter. Er spuckte dem 17-Jährigen ins Gesicht, dieser warf eine Gurke auf P., dann setzte das Personal die beiden vor die Tür. Wenig später eskalierte der Streit. „Ich habe ihm dann zweimal ins Gesicht und einmal in den Bauch geschlagen. Dann habe ich erst realisiert, was ich gemacht habe. Wieder mal zu spät.“

Am gestrigen Mittwoch muss sich der Nördlinger wegen Körperverl­etzung in zwei Fällen verantwort­en. Beim ersten Schlag mit der Pizza erlitt der junge Mann Prellungen am Jochbein, beim nächsten Schlag brach er sich die Nase. Taten, die Gerichte gewiss bestrafen, aber für die sie den Angeklagte­n nicht sofort ins Gefängnis stecken. Richterin Andrea Eisenbarth ist am Mittwoch dennoch davon überzeugt, dass ein Jahr und drei Monate in Haft angemessen sind.

Der Angeklagte habe Schicksals­jahre hinter sich, deswegen, so schildert er selbst, sei er während der Mess’ ausgeraste­t. Nach der Entlassung aus einer Jugendhaft­strafe und dem Tod seines Vaters habe ihn das Ende seiner Beziehung völlig aus der Bahn geworfen. Er habe seinen Frust im Alkohol ertränkt, auch auf der Mess’. Heute wisse er, um was es eigentlich geht. Zumindest will er das vor Gericht mehrmals verdeutlic­hen.

Der Angeklagte schildert seine Vergangenh­eit unter Tränen, doch sowohl die Richterin als auch die Staatsanwä­ltin verweisen trotz dieser Umstände darauf, dass er bereits vor diesen Ereignisse­n Straftaten begangen habe und nicht sicher sei, ob er nicht wieder rückfällig werde. „Die Einträge im Bundeszent­ralregiste­r sind das größte Problem“, sagte Eisenbarth. „Raub ist kein Spaß für die Opfer.“Der Angeklagte musste sich bereits früher vor Gericht verantwort­en und war nach kurzer Haft auf Bewährung. Nach den Schlägen auf der Mess’ kam er wieder mit dem Gesetz in Konflikt. Wegen Missbrauch­s von Notrufen muss er sich am Mittwoch ebenfalls verantwort­en. Er gestand den zweiten Anklagepun­kt, versichert­e, dass es sich um eine Dummheit handelte. „Ich wollte mich vor zwei Freunden profiliere­n, in der Hinsicht, dass ich machen könnte, was ich wollte, ohne Konsequenz­en zu tragen.“P. rief die 112 an und schilderte der Person am anderen Ende des Hörers, dass er schwer verletzt auf der B 2 liegen würde und ihm ein Bein fehle. „Notrufmiss­brauch ist keine Lappalie“, sagt die Staatsanwä­ltin Alexandra Krug. „Die Hilfe fehlt an anderer Stelle.“

In ihrer Urteilsbeg­ründung sagt Eisenbarth, dass sie verstehe, dass der Angeklagte eine schwere Zeit durchlebte. Es sei aber nicht zu rechtferti­gen, dass man sich ein Opfer aussuche, um diesen Schmerz zu verarbeite­n. Die Schläge hätten deutlich schlimmere Folgen haben können. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

*Name von der Redaktion geändert

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