Aufatmen nach dem Jawort der SPD
Ein halbes Jahr nach der Wahl soll die neue Bundesregierung kommende Woche ihre Arbeit aufnehmen. In Bayern will die CSU heute Klarheit über künftiges Personal schaffen
Berlin/München Ganze 161 Tage nach der Bundestagswahl hat es gedauert, bis Deutschland endlich wieder eine richtige Bundesregierung bekommen kann: Voraussichtlich am 14. März – Mittwoch nächster Woche – soll Angela Merkel zum vierten Male zur Bundeskanzlerin gewählt werden. Auch wenn einzelne SPD-Abgeordnete bereits überlegen, ihr die Stimme zu verweigern. Die Basis der SPD aber willigte in die seit der Wiedervereinigung dritte Große Koalition an der Seite von CDU und CSU nach langem Ringen mit einem für viele überraschend klaren Ergebnis ein.
Bei einer Beteiligung von 78,4 Prozent stimmten beim SPD-Mitgliederentscheid exakt 239 604 Mitglieder mit Ja, das sind 66 Prozent, 34 Prozent lehnten die Große Koalition ab. Sowohl die SPD-Spitze als auch führende Vertreter der Union begrüßten das Ergebnis des SPDMitgliederentscheids mit großer Erleichterung. „Wir haben jetzt Klarheit“, sagte der kommissarische Parteichef Olaf Scholz im WillyBrandt-Haus. „Die SPD wird in die Regierung eintreten.“Über die Besetzung ihrer sechs Ministerposten wollen die Sozialdemokraten in den nächsten Tagen entscheiden, dem Kabinett sollen jeweils drei Männer und drei Frauen angehören. Scholz soll Finanzminister und Vizekanzler werden, zudem dürften auch die bisherigen Ministerinnen und Minister Katarina Barley und Heiko Maas wieder dem Kabinett angehören. Offen ist dagegen die Zukunft von Außenminister Sigmar Gabriel.
Scholz lobte die „spannenden und wichtigen Debatten“in der Auseinandersetzung über den Koalitionsvertrag. „In der Diskussion sind wir weiter zusammengewachsen.“Die Kritiker und Gegner der „GroKo“verhehlten dagegen ihre Enttäuschung nicht. Juso-Chef Kevin Kühnert machte deutlich, dass man das Ergebnis akzeptiere, aber weiterhin für eine programmatische Erneuerung der SPD kämpfe. Die SPD müsse in der jetzt anstehenden Regierungsarbeit „eigenständig erkennbar sein“. Die Wortführerin des linken Flügels in der SPD-Bun- destagsfraktion, Hilde Mattheis, betonte im Gespräch mit unserer Zeitung, dass immerhin ein Drittel mit Nein gestimmt habe. „Das ist keine Zahl, die man so einfach wegwischen kann.“
Kanzlerin Merkel reagierte mit Erleichterung auf den Mitgliederentscheid. „Ich gratuliere der SPD zu diesem klaren Ergebnis und freue mich auf die weitere Zusammenarbeit zum Wohle unseres Landes“, twitterte die CDU im Namen Merkels. Vertreter der AfD, FDP, Linke und Grüne kündigten eine harte, aber konstruktive Oppositionsarbeit im Bundestag an. Als künftige Oppositionsführerin warf AfD-Fraktionschefin Alice Weidel der SPD vor, einen politischen Neuanfang in Deutschland zu verhindern.
Nach dem SPD-Entscheid wird erwartet, dass CSU-Chef Horst Seehofer heute den Zeitplan für die Amtsübergabe an den designierten neuen bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder bekannt gibt. Söder könnte bereits einen Tag vor Merkels Kanzlerwahl am 13. März von der CSU-Mehrheit im Bayerischen Landtag zum Regierungschef gewählt werden. Zudem dürfte Seehofer heute bekannt geben, ob der Allgäuer CSU-Politiker Gerd Müller sein Amt als Bundesentwicklungsminister behalten kann.
Lesen Sie in der Politik alles über den Tag der Entscheidung der SPD und wie es in Berlin und Bayern weitergeht. Im Leitartikel schreibt Walter Roller, was der Mitgliederentscheid für die Vertrauenskrise in der deutschen Politik bedeutet.