Keine Besserung der Lage in Sicht
Kabinett schickt mehr Soldaten nach Afghanistan und in andere Krisenherde
Berlin Das Rad wird für die Bundeswehr in Afghanistan wieder ein ganzes Stück zurückgedreht. Die Truppe wird von 980 auf 1300 Soldaten aufgestockt. Und sie kehrt nach Kundus zurück. Die Ausbilder der Bundeswehr sollen dort wieder durchgängig tätig sein. Die Ausweitung ist ein Stück weit das Eingeständnis eines Scheiterns.
Als die Nato 2013 ihren Kampfeinsatz in Afghanistan beendete, ging sie davon aus, dass die afghanischen Streitkräfte selbst für Sicherheit sorgen könnten. Jetzt müssen sich die Verantwortlichen im westlichen Militärbündnis eingestehen, dass sie sich getäuscht haben. Die Sicherheitslage in Afghanistan hat sich kein Stück verbessert. Nur einer von vielen Indikatoren dafür ist die Zahl der getöteten und verletzten Zivilisten: Sie liegt Jahr für Jahr über 10 000.
Doch Afghanistan ist nur einer von sechs Bundeswehreinsätzen, über die die scheidende Bundesregierung in ihrer letzten Sitzung entschieden hat. Die Beschlüsse betreffen 2600 der insgesamt 3600 deutschen Soldaten, die derzeit an internationalen Einsätzen beteiligt sind. Rund 1000 davon gehören zu einer UN-Friedenstruppe in Mali. Auch dieser Einsatz soll ausgeweitet werden – aber nur um 100 Soldaten. Eine Abzugsperspektive gibt es für die Bundeswehr auch hier nicht.
Besonders umstritten ist der Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) im Irak und in Syrien. Fast alle Gebiete, die einmal unter IS-Kontrolle waren, sind zurückerobert worden. Verschwunden ist der IS dennoch nicht. Um ein Wiedererstarken der Miliz zu unterbinden, will das Bündnis, dem 71 Länder angehören, aber weiter Präsenz zeigen. Umstritten ist der Einsatz vor allem aus rechtlichen Gründen. Das Grundgesetz lässt nur Einsätze in „Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit“zu. Die Grünen verstehen darunter nur EU, Nato und Vereinte Nationen. Das Anti-IS-Bündnis ist aber eine lose „Koalition der Willigen“, bei der jeder mitmachen darf. Die Bundesregierung hält es für ausreichend, dass der Irak um den Einsatz gebeten hat und viele Bündnispartner aus Nato und EU mit dabei sind. Der Bundestag hat nun das letzte Wort. Am Donnerstag, nur einen Tag nach der Vereidigung der neuen Bundesregierung, sollen die ersten Beratungen darüber stattfinden.