Gretchen oder die Fließbewegung des Flusses
Ungewöhnlicher Blick auf die Bretter, die für manche die Welt bedeuten. Vorgestellt von der Theater-AG des Gymnasiums
Donauwörth Ein Theaterstück, das für zwei Personen geschrieben wurde, für 22 Spieler umzuarbeiten, ist eine große Herausforderung. Sie ist der Theater-AG des Gymnasiums Donauwörth hervorragend gelungen. Und so überzeugten die Schüler und Schülerinnen des Gymnasiums Donauwörth unter Leitung von Oberstudienrätin Katharina Bühler in der vollen Aula das gespannt wartende Publikum von Beginn an.
Autor Lutz Hübner hat das Schauspiel „Gretchen89ff“nach der Druckseite der Szene des Gretchenmonologs in der kleinen gelben Reclam-Ausgabe benannt. Diese Szene aus Goethes Faust I, zeigt Margarethes Auftritt, der mit dem Text beginnt: „Es ist so schwül, so dumpfig hie. Und eben doch so warm nicht draus. Es wird mir so, ich weiß nicht wie, ich wollt, die Mutter käm nach Haus.“Hübner schrieb mithilfe dieses kurzen Verses ein Theaterkabarett, das gleichzeitig eine Liebeserklärung an das Theater selbst ist.
In vielen Szenen spielten die Schüler die Rolle des Regisseurs oder eines Schauspielers während einer Theaterprobe. So kommt zum Beispiel die ältere Regisseurin zu Wort, welche die Proben immer wieder durch Erinnerungen an Schauspieler und deren Tod oder Krankheiten unterbricht. Am Ende der Probe ist die Schauspielerin Birgit Kowalski genervt, und das nicht nur, weil die Regisseurin sie stets mit falschem Namen anspricht. Oder der Regisseur, der Jägermeister trinkt und über einen Kopfhörer den Song „Satisfaction“der Rolling Stones anhört. „Text ist mir scheißegal“, lässt er wissen und möchte lieber mehr über das Sexleben der Schauspielerin wissen. Egal, ob die Regisseure lispeln, in Dialekten reden, vergeistigt oder cholerisch sind: Jede einzelne Rolle wird von den Schülern pointiert und hervorragend gespielt. „Da bischt ja scho, Schatzerl“, flötet ein Regisseur, der mit der Schauspielerin Walzer tanzend über die Bühne schwebt.
Auch die Vielfalt der dargestellten Schauspielerinnen kommt an diesem Abend gut zur Geltung: Die Diva, die sehr von sich überzeugt ist, die singende Schauspielerin, die sich über den Regisseur aufregt, der nur sein Homebanking im Kopf hat oder der Hospitant, der für die Schauspielerin einspringt, weil die einfach keine Lust mehr hat.
Dazu kommen dann noch die Handwerker in ihren Latzhosen, die nicht nur Plakate schief aufhängen und Mikrofone reinigen, sondern zwischen den einzelnen Szenen auch noch allerlei Wissenswertes über die Theaterwelt kund tun.
Vor der Pause überraschten die Schüler das Publikum mit einer ganz besonderen Modenschau. Kunstlehrerin Madlen Weber hat sich dazu mit einigen Schülerinnen etwas Besonderes ausgedacht: Alle Kleider der Models wurden aus RecyclingMüll hergestellt. Das Publikum war begeistert – sowohl von dieser Idee, als auch von den Mannequins, die über den Laufsteg der Aula liefen.
Der Schauspieler, der nach der Pause mit dem Fahrrad ebenfalls über den Laufsteg zur Bühne radelte, um sich der esoterischen Regisseurin vorzustellen, brachte mit seiner Darbietung das Publikum zum Lachen. Er versuchte vergeblich, die Regisseurin mit den mitgebrachten Kleidern davon zu überzeugen, das Gretchen zu spielen. Am Ende versuchte er sich, wie von der Regisseurin gewünscht, als Stein mit „Fließbewegung des Flusses“und hatte damit die Lacher auf seiner Seite.
Zum Finale wurde das Publikum noch mit Goethes Faust in fünf Minuten belohnt. Hinter einem Leintuch erschien als Schemen Faust persönlich. Er trat aus dem Schatten heraus und die Schüler spielten die wohl bekannteste Szene nach: Mit dem krönenden Abschluss des Todes von Valentin, Gretchens Bruder, der im Kampf mit Faust stirbt, endete eine gelungene Inszenierung mit hoch motivierten und begabten Jungschauspielern.