„Liber Freind, in unserer Bardei gracht es“
Dirk Heißerer liest aus Ludwig Thomas Werken, harmonisch ergänzt durch die Donauwörther Jagdhornbläser
Donauwörth „Bürgerschreck und Reizfigur“, so betitelte Dirk Heißerer, Literaturwissenschaftler aus München, seinen Ludwig-ThomaAbend im Rahmen des Donauwörther Kulturfrühlings. Ludwig Thoma (1867 -1921) gilt heute als der Urtyp eines bayerischen Schriftstellers. Seinen Bekanntheitsgrad begründete er vor allem durch seine Prosa „Ein Münchner im Himmel“oder durch die „Lausbubengeschichten“, die den TV-Guckern mit einer Vorliebe für alte deutsche Filme noch heute ein Begriff sind. Zu seiner Zeit galt er auch als Dramenschreiber etwas, allerdings gehandicapt durch die bayerische Mundart, in der er seine Stücke verfasste und was ihm den Titel „Volksdichter“einbrachte.
Am schnellsten verflüchtigt hat sich sein Ruf als satirischer Lyriker, denn seine Gedichte wurden größtenteils unter dem Pseudonym Peter Schlehmil in der wöchentlich erscheinenden Satirezeitschrift Simplicissimus veröffentlicht und waren daher oft bezogen auf aktuelle Ereignisse. So stand die Frage im Raum, wie dieser Dichter vom Satiriker und Bürgerschreck zur politischen Reizfigur werden konnte.
Zum Beginn die Persiflage „Agricola“– Thomas Erstling Musik und Lesung – statt Lesung und Musik
Dirk Heißerer hat diesen Weg Ludwig Thomas – beginnend mit Lesungen aus dem Erstlingswerk „Agricola“, einer Persiflage im Stile von Tacitus auf die Bayern – nachgezeichnet und weitergeführt über die amüsante Auseinandersetzung des Peter Salvermoser mit dem hochwürdigen Herrn Pfarrer in dem Stückl „Die Sau“, in dem er Standesdünkel und klerikale Klassengesellschaft karikierte, mit frühen politischen Gedichten im Simplicissimus, mit der Beschreibung der hintersinnigen Volksseele in „Der Wilderer“und den derben Brief Josef Filsers an den „Bosthalder Bechler Gorbinian in Mingharting“, in dem er ironisch und sarkastisch das bayerische „Barlament“auf die Schippe nimmt und ironisch feststellt: „Der barlamendarische Beruf ist aufreu- und man bringt ein großes Obfer für den Wallgreis.“
Ludwig Thomas berufliche Karriere wies zunächst nicht in Richtung Literatur. Von 1886 bis 1890 studierte er Jura in München und Erlangen. Anschließend durchlief er vier Jahre ein Rechtspraktikum bei Gericht und in der Verwaltung, bevor er sein zweites Staatsexamen abbend legte. Nach ersten Veröffentlichungen im Simplicissimus wurde Ludwig Thoma 1899 Redakteur der Zeitschrift und gab seine Anwaltspraxis auf. Zum Wandel des Ludwig Thoma vom Satiriker zur politischen Reizfigur meinte Heißerer, dass Thoma keinen Unterschied zwischen Leben und Schreiben machte. Er war ein Volksdichter und tat mit aller Konsequenz das, wovon er glaubte, dass es das Beste für „sein Volk“sei. Er polemisierte, wenn es da oben stank, und zog in den Kampf, als es brannte. Dass er dabei in seinen letzten Lebensjahren nach dem Krieg zu weit ging, indem er in Zeitungskommentaren zu antisemitischen Parolen griff, ist eine traurige Fußnote seines Lebens.
Dirk Heißerer begeisterte die Zuhörer mit seiner Art zu lesen, vorzutragen, zu kommentieren, humorvoll-sarkastisch die von Thoma beschriebenen Rollen zu spielen und so kam es in Verbindung mit den Donauwörther Jagdhornbläsern zu einer glücklichen, kurzweiligen Synthese von Lesung und Musik, die Dirk Heißerer in seinem Eintrag ins Gästebuch der Stadt bestens beschrieb: „Großen Dank für die Einladung und für dieses wunderbare Pfaffendorf’sche Zusammenspiel mit den Damen und Herren an den Jagd- und Alphörnern und dem wunderbaren Chor und dem Zylindermann an der Drehorgel mit Äffchen – Josef Filser würde sagen: „Lieber Freind, in unserer Bardei gracht es – im besten Sinne.“ Dieses Lob nahmen die Donauwörther Jagdhornbläser gerne entgegen. Mit französischen Parforcehörnern, ihrem gemischten Chor mit Liedern passend zu den „Wilderern“von Thoma und der Moritat vom Jennerwein, mit Drehorgel und mit Alphörnern, brachten sie kurzweiligste Musik aus zwei Jahrhunderten auf die Bühne, von Rossini über Carl Maria von Weber und Gurlitt bis hin zur Fanfare Rythmique des Franzosen Albert Gossez zum Ende des 20. Jahrhunderts. Lakonisch meinte Heißerer: „Eigentlich hätte dieser Abend heißen sollen – Musik und Lesung, statt Lesung und Musik!“Wie der große Beifall bewies, hat dies auch den Zuhörern gefallen.