Der „Tatort“wiederholt sich selbst
Seit mehr als tausend Folgen läuft der Kult-Krimi nun schon. Mit Blick auf kürzlich gesendete Filme könnte man meinen, dass den Machern die Ideen ausgingen. Wie kann es sein, dass sich Handlungen oder Motive häufig ähneln?
Augsburg Denken Sie auch manchmal, wenn Sie den „Tatort“sehen: Das kommt mir irgendwie bekannt vor? Ich schon. Ich denke da etwa an den Hessen-„Tatort“vom 29. Oktober 2017, in dem Kommissar Brix in einem Horror-Haus inklusive Hausgeist wohnt. „Fürchte dich“heißt dieser öffentlich-rechtliche Grusel-Schocker, der recht fürchterlich war. Am Sonntag darauf lief der Furtwängler-Krimi „Der Fall Holdt“– samt offenem Ende und ohne Täter. Zwei „Tatort“-Experimente hintereinander. Musste das sein? Nein, fanden viele Zuschauer und „Tatort“-Kritiker – und die
ARD reagierte: künftig weniger „experimentelle“Folgen.
Häufiger als formelle ähneln sich inhaltliche Aspekte bei aufeinanderfolgenden „Tatort“-Krimis. Und damit ist nicht gemeint, dass Er- mittler Morde aufklären. Ich meine damit, dass zum Beispiel am 2. April 2018 im Makatsch-„Tatort“„Zeit der Frösche“der 13-jährige Jonas eine größere Rolle spielte … Wie wenige Tage später, am 8. April, der durch und durch böse zwölfjährige Felix. Oder das mit den Gliedmaßen: In der Folge „Meta“vom 18. Februar 2018 bekam der Berliner Kommissar Karow den abgetrennten Finger eines Mädchens zugeschickt. Dass so etwas in Deutschland wenn überhaupt, dann äußerst selten vorkommt, stört die „Tatort“-Macher nicht. Es würde auch Zuschauer wie mich nicht stören, wenn nicht ständig im „Tatort“Gliedmaßen abgetrennt und, immerhin, wiedergefunden würden.
Beispiele? „Diesmal ist es ein Finger, der einsam und alleine in einem Auto mit Blutspuren rumliegt“, schrieb „Tatort-Expertin Daniela“auf der Internetseite des Radiosen- ders hr3 zum Bremer „Tatort“vom 22. Oktober 2017. „Endlich mal wieder abgetrennte Gliedmaßen im ,Tatort‘.“Unser „Tatort“-Kritiker befand dagegen: „Ein abgetrennter Finger samt später nachfolgendem Körper ist ja nichts Neues.“In der Tat: Am 19. März 2017 durften Zuschauer in der Folge „Borowski und das dunkle Netz“einen abgetrennten Finger bestaunen – der allerdings bei sechs (!) Leichen und literweise Blut nicht weiter auffiel.
Zwischenfazit: Der „Tatort“wird nicht nur fortwährend in sämtlichen Sendern der ARD wiederholt, er wiederholt sich inhaltlich gleich noch selbst. Und das, wo doch mit Gebhard Henke ein beim WDR angesiedelter „ARD-Tatort-Koordinator“in Diensten der ARD steht.
Wie das sein kann?
Darauf gibt Barbara Feiereis von der WDR-Pressestelle eine kurze, etwas überraschende und eine längere Antwort. Die kurze, etwas überraschende: „Der Tatort-Koordinator ist nicht für die konkreten Filme verantwortlich. Aber zum Beispiel für alle Angelegenheiten, die mit dem Schutz der Marke zusammenhängen.“Henke verantworte „explizit inhaltlich“nur die drei „Tatort“-Teams des WDR.
Jetzt die längere: Feiereis führt aus, dass es aufgrund des föderalen Aufbaus der ARD keine zentrale Redaktion, sondern eben bloß eine Koordination gebe, die die Sendeplanung übernehme. Die einzelnen
ARD-Sender entschieden selbst, wie sie den „Tatort“gestalten. „Bei bis jetzt schon über tausend ,Tatort‘-Folgen war dieses System bisher erfolgreich.“Man sei natürlich bemüht, könne letztlich aber nicht verhindern, dass sich Themen wiederholen. Denn, so Feiereis: „Von der Entstehung des Drehbuchs bis zum fertigen Film dauert es anderthalb Jahre. Wenn der Vorschlag für einen Fall vorliegt, ist oft nicht ersichtlich, wie der fertige Film wirklich aussehen wird. Ähnlichkeiten stellen sich manchmal erst später heraus.“Ein weiteres Problem sei, dass Filme gelegentlich nicht rechtzeitig fertig würden. Dann werde ein anderer „Tatort“vorgezogen.
In der Folge vom vergangenen Sonntag ging es um zwei gut integrierte Libyer. Und nun raten Sie mal, mit wem es am 22. April die Kommissare Falke und Grosz in Lüneburg zu tun bekommen? Richtig: mit einem (scheinbar) gut integrierten gebürtigen Libanesen.