Wann schafft Airbus Klarheit für Augsburg?
Gewerkschafter kritisieren massiv das Verhalten des Konzerns gegenüber dem schwäbischen Zulieferer
Augsburg/Toulouse Die Krise des Augsburger Luftfahrtzulieferers Premium Aerotec konnte auch in Gesprächen rund um die jüngste Aufsichtsratssitzung nicht abgewendet werden. Nach Informationen unserer Zeitung gab es keine Annäherung zwischen der Arbeitgeberund Arbeitnehmerseite. Viele der noch rund 3700 Beschäftigten des Standortes sind verunsichert, weil nach wie vor nicht klar ist, wie das Werk künftig besser ausgelastet werden kann. Doch nur so kann ein deutlicher Rückgang der Zahl der Arbeitsplätze verhindert werden.
Dabei ist der Stellenabbau schon in vollem Gange. Nach Recherchen unserer Zeitung wurden bereits rund 80 Leiharbeiter „abgemeldet“. Insgesamt war zuletzt laut IG Metall davon die Rede, dass noch gut 550 der 3700 Beschäftigten Leiharbeiter sind. Allein bis Anfang 2019 sollen insgesamt wohl 300 Jobs für Leiharbeiter wegfallen. Im kommenden Jahr könne die Zahl der Beschäftigten in Augsburg im schlimmsten Fall knapp an die Stamm-Mitarbeitergrenze gehen, wird in Arbeitnehmerkreisen befürchtet.
Zumindest bis 2020 sind die Arbeitsplätze der Stammbelegschaft dank eines Vertrages abgesichert. Doch Betriebsräte und Gewerkschafter mutmaßen, dass – wenn sich die Auftragslage für bestimmte Programme nicht verbessert oder zukunftsfähige Programme nicht an den Standort kommen – auch hunderte Stellen von fest Beschäftigten bedroht sind. Als umso gefährlicher empfinden Vertreter der IG Metall die derzeitige „Blockadehaltung“bei Premium Aerotec. Gegenüber unserer Zeitung beklagte Gewerkschaftsvorstand Jürgen Kerner: „Leider konnten wir in Gesprächen mit den Arbeitgebern bis jetzt nichts erreichen.“Bei dem ArbeitnehmerRepräsentanten, der auch stellvertretender Aufsichtsrats-Vorsitzender von Premium ist, „klingen inzwischen sämtliche Alarmglocken“.
Kerner, der früher IG-MetallChef in Augsburg war, forderte: „Das Augsburger Werk darf nicht zum Steinbruch werden.“Der Gewerkschafter befürchtet nämlich, dass der traditionelle Standort von der Unternehmensseite in zweifacher Hinsicht benachteiligt wird. Seine Kritik bezieht sich dabei auf die Verantwortlichen des AirbusKonzerns im französischen Toulouse, zu dem Premium Aerotec zu 100 Prozent gehört. Dabei bemängelt der IG-Metall-Vorstand einerseits, dass aus Augsburg weiter Arbeit an kostengünstigere Zulieferer ins Ausland vergeben werde. Andererseits beklagt Kerner, die AirbusSpitze sorge nicht dafür, dass im Gegenzug zusätzliche höherwertige Arbeitspakete dem schwäbischen Werk zugutekommen. Was den Gewerkschafter besonders ärgert: „Augsburg wird nicht entsprechend am Hochlauf der Produktion der kleinen Airbus-Flugzeuge der A320-Familie beteiligt.“Die Nachfrage nach diesen Jets für 100 bis 240 Sitzplätze ist gigantisch. Der Flugzeugbauer versucht aber wirtschaftlicher zu arbeiten, also auch die Kosten zu drücken. Dies führt dazu, dass etwa Premium Aerotec zunehmend einfachere Teile in der rumänischen Fabrik des Unternehmens fertigen lässt. Dort ist die Zahl der Arbeitsplätze seit 2010 von rund 160 auf 850 Mitarbeiter angestiegen.
Aus strategischen Überlegungen versucht die Airbus-Spitze auch die Mächtigen in der Türkei mit Arbeitspaketen wohlwollend zu stimmen. Hier hoffen die Manager auf reichlich Aufträge, vielleicht sogar für den Riesen-Airbus A380. Das Programm hätte der europäische Luftfahrt-Konzern beinahe eingestellt, wenn es nicht die A380Freunde der arabischen Airline Emirates gäbe. Die Scheichs haben noch einmal nachbestellt. Entscheiden sich die Türken für den doppelstöckigen Flieger, wäre das gut für Augsburg. Denn das Werk ist mit wichtigen Teilen am Bau des A380 beteiligt und leidet unter der Auftragsflaute für das Mega-Flugzeug. Hinzu kommt, dass auch die Nachfrage nach dem militärischen Transportflieger A400M, für das ebenfalls in Augsburg Bauteile produziert werden, stark rückläufig ist.
So sitzt der schwäbische Standort aus Sicht von Gewerkschaftern wie Kerner und dem Augsburger IGMetall-Chef Michael Leppek in der Falle. Letzterer sagte unserer Zeitung: „Es besteht die Gefahr, dass der Standort leer läuft.“Entsprechend schlecht sei die Stimmung unter den Mitarbeitern.
Kerner wie Leppek stellen die Forderung auf: „Solange Augsburg keine neuen Teile von Airbus bekommt, dürfen alte nicht verlagert werden.“Airbus-Manager argumentieren dagegen, zunächst müsse das Werk durch die Vergabe von Bauteilen nach außen wirtschaftlicher arbeiten, um so attraktiv für neue Aufträge zu sein. Ein Insider sagt dazu: „Bei Premium beißt sich die Katze in den Schwanz.“
Was besonders fatal ist: Weil das Unternehmen zu 100 Prozent Airbus gehört, ist es schwierig bis unmöglich, Aufträge von Konkurrenten wie Boeing, Embraer oder Bombardier zu ergattern und damit die Produktion auszulasten. Eine Lösung wäre es, dass sich Premium Aerotec von der Mutter Airbus abnabelt, entweder durch einen Börsengang oder einen Verkauf.
Eine solche Verselbstständigung ist seit rund zehn Jahren geplant. Premium-Aerotec-Chef Thomas Ehm sagte dazu unlängst in einem Interview: „Wir tragen das natürlich mit, weil darin eine gute Perspektive für Premium Aerotec liegt. Die Frage ist nicht das Ob, sondern: Wann?“Hier dürfte nach Informationen unserer Zeitung allerdings vor der Sommerpause nichts geschehen.
Und ob der deutsche Airbus-Chef Tom Enders das heikle Thema vor seinem Ausscheiden im Frühjahr 2019 überhaupt noch anpackt, ist ungewiss. Derzeit arbeitet der Konzern ja auch eine Korruptionsaffäre im eigenen Haus auf, was Kräfte bindet. Daher könnten die Beschäftigten in Augsburg noch länger auf die Folter gespannt werden.