Ein Bild des Grauens
Mehr als 40 Schafe sollen durch die Attacke eines Wolfes getötet worden sein. Viele wurden totgebissen, manche ertranken. Wird der Angreifer nun abgeschossen?
Bad Wildbad Nach einer mutmaßlichen Wolfsattacke im Nordschwarzwald bei Bad Wildbad sind mehr als 40 Schafe verendet. Einen Großteil soll der Wolf gerissen haben, einige mussten wegen schwerer Verletzungen zudem getötet werden. Unklar ist, wie viele Tiere ertranken, weil sie in Panik in einen Bach sprangen. Das baden-württembergische Umweltministerium sprach von 32 Tieren, die gerissen wurden. „Nach den ersten Untersuchungen der Forstlichen Versuchsund Forschungsanstalt BadenWürttemberg (FVA) ist dafür mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Wolf verantwortlich“, hieß es.
Gewissheit soll nun die genetische Eilanalyse von Proben der toten Tiere bringen. Diese hatte das Umweltministerium beauftragt. In etwa sieben Tagen werde es Ergebnisse geben. Falls die toten Tiere tatsäch- lich auf einen Wolf zurückgehen, könne der betroffene Schäfer mit einer raschen Entschädigung rechnen.
Nach Angaben der Geschäftsführerin des Landesschafzuchtverbandes, Anette Wohlfarth, befand sich die Herde mit mehr als 150 Tieren auf einem umzäunten Areal. Sie sei erst vor wenigen Tagen vom Stall auf die Weide gekommen. Der Wolf sei eventuell über den nahen Fluss eingedrungen. „Es war ein Bild des Grauens“, schilderte Wohlfarth ihre Eindrücke vom Besuch der Weide. Der Vorfall ist für sie ein trauriger Beleg für die lange gehegte Vermutung: „Weidetierhaltung und Wolf zusammen funktioniert nicht.“Auch Wolfsfreunde zeigten sich betroffen. „Jetzt gilt es, dem Schäfer so schnell wie möglich zu helfen“, meinte Johannes Enssle, Chef des Naturschutzbundes (Nabu) in Baden-Württemberg.
FDP-Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke forderte die Grünen indessen auf, ihre „romantische Wolfspatenschaft“zu beenden. Der Wolf müsse unter die Kontrolle des Jagdrechts gestellt werden. „Das hat sich auch bei den geschützten Tierarten wie dem Luchs bewährt. Als dicht bevölkertes Flächenland müssen wir durch bessere Kontrolle verhindern, dass Wölfe zum Problem werden.“
Handlungsbedarf sieht auch Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU): „Wir müssen die Entwicklung der Wolfspopulation in Deutschland genauer beobachten.“Auch der Abschuss von Wölfen soll laut Klöckner möglich sein. Der Arbeitskreis für Umwelt und Naturschutz der CDU-Landtagsfraktion spricht sich für einen Abschuss aus. „In diesem Einzelfall halten wir es für notwendig, den Problem-Wolf, der sich offensichtlich im Blutrausch befunden hat, zu entnehmen“, sagte der Arbeitskreis-Vorsitzende Paul Nemeth.
Mit „Blutrausch“ist der sogenannte Beuteschlag-Reflex gemeint. Für einen Wolf sei das Überangebot auf einer Weide eine unnatürliche Situation, heißt es auf einer Internetseite des Nabu. Die Weidetiere können nicht flüchten, weshalb der Jagdtrieb des Raubtieres immer wieder ausgelöst wird. Deshalb komme es vor, dass der Wolf mehr Tiere tötet, als er fressen kann. Seit 2000 vermehren sich die Wölfe wieder in Deutschland, nachdem sie hier 150 Jahre als ausgestorben galten. Bundesweit gibt es 800 Wölfe, vor allem in Niedersachsen und in Ostdeutschland. 2016 wurden über 1000 Nutztiere durch Wölfe getötet oder verletzt – vor allem Schafe und Ziegen, aber auch Rinder.