Abgefahren
6800 Leihräder, die niemand bestellt hatte, waren den Münchnern zu viel. Sie ließen ihrer Wut freien Lauf
München Gelb-silberne Fahrräder in der Isar, aufgehängt in Bäumen oder zu Haufen aufgetürmt – Szenen wie diese prägten über mehrere Monate das Stadtbild in München. Der Grund: Die Bürger zeigten, man könnte fast sagen in einem Akt kollektiver Selbstjustiz, was sie von dem Angebot des Unternehmens oBike halten, das niemand bestellt hatte. Das Unternehmen hatte ohne Vorwarnung, quasi in einer Nachtund-Nebel-Aktion, 6800 Leihfahrräder in der Stadt verteilt.
Das war vor etwa neun Monaten. Auf sehr unfreundliche, ja illegale Weise machten die Müncher seither deutlich, was sie von den Leihrädern hielten. Auf Gehsteigen und Grünstreifen, in Hofeinfahrten und hinter Mülltonnen – überall lagen demolierte Räder. Es entwickelten sich daraus sogar Instagram-Seiten, wie zum Beispiel „obike_failure_munich“mit der Unterzeile „a kind of art project“– zu Deutsch „eine Art Kunstprojekt“. Und auch auf Twitter wurde der Vandalismus kunstvoll dargestellt. Doch immer waren es nur die gelb-silbernen Räder; Leihräder der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) oder der Deutschen Bahn (DB) wurden nicht solch einer Behandlung ausgesetzt.
Nun hat das Unternehmen oBike, das seinen Sitz in Singapur hat, Konsequenzen gezogen. Seit Anfang April zieht es gut 1000 der 6800 Räder wieder aus der Stadt ab. Maria Bause, die Sprecherin des Unternehmens, erklärt die Entscheidung so: „Bedauerlicherweise wurde eine steigende Zahl an Vandalismusschäden verzeichnet. Die Kosten der Reparaturen, die durch Vandalismus entstanden sind, übersteigen das Budget, das für Wartungsarbeiten eingeplant ist.“
Der Radverkehrsbeauftragte der Stadt München, Florian Paul, findet diese Entscheidung richtig. Dass die Münchner Bürger wütend waren, kann er verstehen. Dennoch: Die Beschädigung der Räder sei völlig inakzeptabel gewesen. „Es wurden dadurch ja auch Menschen gefährdet, weil beispielsweise Bremskabel durchgeschnitten wurden“, sagt er.
Doch wie konnte es so weit kommen? „oBike ist ohne Plan und Strategie nach München gekommen. Es wurden massenweise Räder in die Stadt geschafft, ohne irgendeine Öffentlichkeitsarbeit zu leisten“, prangert er an. Dazu kam noch ein Datenleck, bei dem die Daten der oBike-Nutzer im Internet frei zugänglich waren. Zwar wurde das Problem behoben, doch auch dabei habe oBike eine ausreichende Kommunikation versäumt. Petra Husemann-Roew, die Geschäftsführerin des ADFC Bayern, fügt noch hinzu: „Auch in den Wohngebieten, die eher außerhalb liegen und wo die meisten ein Privatrad haben, wurden die Räder verteilt.“Am Ende sei bei all diesen Faktoren die Akzeptanz nicht gewachsen.
Konnten die Räder ohne jegliche Absprache in die Stadt gebracht werden? Ja, sagt Florian Paul. Es habe zwar mal ein Vorgespräch gegeben, „aber da war noch von 1000 bis 2000 Rädern die Rede“. Von der letztendlichen Masse sei man dann doch überrascht gewesen. Die stationslosen Räder hätten aber keine Sondergenehmigung gebraucht.
Der Bedarf an Leihfahrrädern ist aber generell da. Die MVG verzeichnet 90 000 Kunden, „Call a bike“hat rund 122000 Nutzer derzeit in München. Beide wollen ihren Bestand noch weiter aufstocken.