Italien wählt bald wieder neu
Kein Rückhalt im Parlament, wenig Gestaltungsspielraum und jede Menge Schulden: Carlo Cottarelli tritt in Italien eine schier aussichtslose Mission an
Rom Nach dem Scheitern der geplanten Koalition in Italien soll der Wirtschaftsexperte Carlo Cottarelli das angeschlagene Land bis zu einer Neuwahl führen. Staatspräsident Sergio Mattarella hat den ehemaligen Direktor beim Internationalen Währungsfonds damit beauftragt, eine Expertenregierung zu bilden. Da diese aber wahrscheinlich keine Zustimmung im Parlament bekommt, könnte im Herbst in Italien schon wieder gewählt werden. Am Sonntag war die Regierungsbildung der europakritischen Allianz aus der Fünf-Sterne-Bewegung und der rechtspopulistischen Lega in letzter Minute gescheitert. Mattarella hatte sich geweigert, den Deutschlandund Euro-Kritiker Paolo Savona als neuen Finanzminister zu akzeptieren.
Im Wahlkampf wurde Carlo Cottarelli von einigen Parteien noch umworben. Silvio Berlusconis Forza Italia machte ihm Avancen, auch die Fünf-Sterne-Bewegung rühmte die Ideen des 64-jährigen, der lange für den Internationalen Währungsfonds gearbeitet hat. Nach der gescheiterten Regierungsbildung sind nun jedoch Neuwahlen im Herbst wahrscheinlich. Der Mann, der Italien bis dahin über alle finanzpolitischen Klippen führen soll, ist Carlo Cottarelli. Staatspräsident Sergio Mattarella hat ihn am Montag mit der Bildung einer Übergangsregierung beauftragt.
Cottarelli, verheiratet und Vater zweier Kinder, ist der Gegenentwurf zum Euro-Kritiker Paolo Savona, an dessen Nominierung als Finanzminister die geplante Regierung in letzter Minute gescheitert ist. Cottarelli soll als Premier Signale der Beruhigung an die EU und die Finanzmärkte aussenden. In einer ersten Stellungnahme hat er bereits die „sorgsame Führung der öffentlichen Konten“versprochen und sich klar zum Euro bekannt.
Fußballfan Cottarelli, dessen Herz für Inter Mailand schlägt, wird auch ohne Parlamentsmehrheit Italien bei internationalen Treffen wie der G20-Runde in Argentinien oder den EU-Gipfeln vertreten. Schon seine Vita sollte in der Finanzwelt für eine gewisse Entspannung sorgen: Beim Währungsfonds war er zuletzt der für Italien und Griechenland zuständige Geschäftsführer. Der in Cremona geborene und in Mailand wohnende Manager ist mit den Mechanismen von Kreditvergabe an Staaten in Zahlungsschwierigkeiten ebenso vertraut wie mit den harten Sanierungs-Auflagen, zu denen sich diese Staaten verpflichten. Zwischen 2013 und 2014 war Cottarelli überdies Sparkommissar der Regierungen Letta und Renzi. Von Ideen wie dem Euro-Austritt Italiens, einer drastischen Neuverschuldung oder gar der Forderung nach einem großzügigen Schuldenerlass hält Cottarelli nichts. Sein Credo lautet: Solange die expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank Italiens Wachstum unterstützt, sind die Staatsfinanzen so schnell wie möglich in Ordnung zu bringen. Italien soll sich also an die eigene Nase fassen und die Schuld nicht bei anderen suchen. Die drittgrößte Volkswirtschaft der EU wird von einer Schuldenlast in Höhe von 2300 Milliarden Euro gedrückt.
Dabei gilt es als sicher, dass der designierte Ministerpräsident und seine Regierung nur als machtlose Übergangslösung bis zu Neuwahlen im Herbst amtieren werden. Ohne die Stimmen der Fünf-Sterne-Bewegung und der Lega hat sie keine Mehrheit im italienischen Parlament – und keine der beiden populistischen Parteien scheint geneigt, nach dem Veto des Staatsoberhaupts einen Kompromisskandidaten zu wählen. Cottarelli stellt sich dennoch in den Dienst der Republik.