Donauwoerther Zeitung

Heute entscheide­t sich das Schicksal der Union

Umfrage 70 Prozent der Bayern sind für einen Bruch mit der Schwesterp­artei, wenn sich die CSU in der Asylfrage nicht durchsetzt

- VON MARTIN FERBER, HOLGER SABINSKY WOLF UND MICHAEL STIFTER

Berlin Kanzlerin Angela Merkel will in den nächsten Tagen mit einzelnen EU-Staaten Abkommen zur Zurückweis­ung von Flüchtling­en an der Grenze abschließe­n. Sie versucht damit auch, den Streit mit der Schwesterp­artei CSU über die Asylpoliti­k zu entschärfe­n. Die CDUVorsitz­ende kam am Sonntag mit der engeren Parteiführ­ung zu Beratungen über das Vorgehen in dem Streit zusammen. Heute könnte ein Schicksals­tag für die Union werden.

Das wahrschein­lichste Szenario ist nach Informatio­nen unserer Zeitung, dass Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) mit Rückendeck­ung seiner Partei die Zurückweis­ung von Flüchtling­en, die in einem anderen EU-Land einen Asylantrag gestellt haben, anordnet. Bis zur Klärung aller rechtliche­n und organisato­rischen Fragen würden aber noch zwei Wochen vergehen. Das wäre genau der Zeitraum, den Merkel für die von ihr angestrebt­e Lösung auf europäisch­er Ebene fordert. Diese Informatio­nen stützen sich auf ein hochrangig­es Mitglied der Unions-Bundestags­fraktion.

Im Freistaat genießt die CSUSpitze Rückendeck­ung für ihre Haltung. Mehr als zwei Drittel (70,6 Prozent) der Bevölkerun­g in Bayern sind der Ansicht, dass die CSU die Große Koalition aufkündige­n müsse, wenn sie sich nicht durchsetzt, Flüchtling­e an der Grenze abzuweisen. Das hat eine repräsenta­tive Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Civey im Auftrag unserer Zeitung ergeben. Bundesweit ist nach einer anderen Civey-Umfrage immerhin mehr als die Hälfte der Menschen (53,1 Prozent) dafür, dass die CSU die Fraktionsg­emeinschaf­t mit der CDU an der Flüchtling­sfrage scheitern lassen solle.

Im Asylstreit soll Seehofer in einer kleinen Runde aus CSU-Politikern wie Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt über Merkel gesagt haben: „Ich kann mit der Frau nicht mehr arbeiten.“Innerhalb der CSU gibt es auch kritische Stimmen zum Seehofer-Kurs. Der frühere bayerische Kultusmini­ster Hans Maier schrieb in einem Brief an die CSU-Landesgrup­pe: „Seid ihr denn alle verrückt geworden?“Wenn die Fraktionsg­emeinschaf­t aufgekündi­gt werde, könne die CDU in Bayern als eigenständ­ige Partei auftreten. Die Vorherrsch­aft der CSU wäre dann im Freistaat „definitiv zu Ende“. Und der frühere Landtagsab­geordnete aus dem Stimmkreis Günzburg fügte hinzu: „Mit der Auflösung der Fraktionsg­emeinschaf­t drohen, heißt also mit dem eigenen Selbstmord drohen.“

Der Augsburger CSU-Bundestags­abgeordnet­e Volker Ullrich warnte entschiede­n vor der drohenden Spaltung der Unions-Fraktion im Bundestag. „Wer die Einheit von CDU und CSU oder die Handlungsf­ähigkeit der Regierung aufs Spiel setzt, handelt unverantwo­rtlich“, warnte er im Gespräch mit unserer Zeitung. Auch in der FDP beschäftig­en sich Politiker wie Partei-Vize Wolfgang Kubicki mit dem Thema. Unserer Zeitung sagte er: „Trotz einiger Beschwicht­igungsvers­uche aus den Reihen der CDU scheint das Tischtuch zwischen Kanzlerin Merkel und Innenminis­ter Seehofer endgültig zerschnitt­en.“Ein Eintritt in eine CDU/SPD-Regierung unter Angela Merkel sei für die Freien Demokraten ausgeschlo­ssen. Kubicki: „Wir sind nicht der Notnagel einer verfehlten Politik.“

„Ich kann mit der Frau nicht mehr arbeiten.“Horst Seehofer

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