Er ist wieder da
Natur Es ist erst wenige Wochen her, dass ein Wolf bei Daiting gesichtet wurde. Viehhalter befürchten nun, dass sich das Tier am Riesrand etablieren könnte – zum Unmut der Schäfer
Landkreis Er geht langsam auf die Kühe zu: Die stellen ihre Ohren auf und warten ab, bleiben aber auf dem Boden liegen und scheinen in Alarmbereitschaft zu sein. Bei jedem weiteren Schritt werden sie unruhiger – die Tiere muhen leicht, lassen von ihrem Essen ab und starren Ulrich Eisenbarth an. Als er eine Schrittlänge vor ihnen steht, rappeln sich die Tiere auf und formieren sich: Die größeren Kühe schreiten nach vorne, das Kalb geht dahinter in Deckung. Dann bleibt Eisenbarth stehen, streckt seine Hand aus, so als wolle er die Tiere streicheln und die Kühe an vorderster Front springen mit einem großen Satz zur Seite.
Ähnlich würden sich Kühe auch bei einem Wolfsangriff verhalten, erklärt der Mutterkuhhalter, der sich mit dem Thema Wolf befasst hat. Nur würden sie dann wohl in ihrer Formation bleiben und versu- chen, den Wolf mit ihren stämmigen Körpern und lauten Geräuschen zu vertreiben. Ein anderes Nutztier könnte einen Wolfsangriff wohl nicht abwehren, so Eisenbarth. Im Moment hat sich die Situation auf der Weide bei Nördlingen wieder entspannt, die Tiere wittern keine größere Gefahr mehr. Vor wenigen Wochen wurde das Bild eines Wolfes, der in einem Wald bei Daiting gesichtet wurde, veröffentlicht. Im April riss ein Raubtier mehr als 40 Schafe auf einer Weide in Bad Wildbad in Baden-Württemberg, rund 200 Kilometer von Nördlingen entfernt – am Tag kann ein Wolf rund 80 Kilometer zurücklegen – und in der Nähe des Truppenübungsplatzes Grafenwöhr in Bayern ist bereits ein Paar heimisch. Für Ulrich Eisenbarth genug Indizien dafür, dass der Wolf sich in wenigen Jahren in Bayern etablieren werde und auch der Landkreis betroffen sein wird. Das Zentralries sehe er aber außen vor, da der Mensch dort zu dicht anei- nander gesiedelt sei. Deshalb werde seine Kuhherde an der Eger bei Nördlingen dem Raubtier wohl nicht begegnen. In den Wäldern am Riesrand hingegen befürchtet er auf längere Zeit Konfrontationen mit dem Wolf.
Das würde Franz Rupprecht betreffen. Der Schäfer aus Fünfstetten hat einen Teil seiner Herden in der Nähe von Donauwörth. Auf das Thema Wolf ist er nicht gut zu sprechen und fühlt sich von der Regierung alleine gelassen. Als Schäfer lebe er am Existenzminimum, zu gering sei der Ertrag, den die Tiere abwerfen, da blieben nur Gelder, die er durch die Bewirtschaftung der Flächen erhalte. Und das bei einer Arbeitszeit von mindestens zwölf Stunden täglich, sieben Tage die Woche.
Tagsüber könne er auf die Herde aufpassen, nachts, wenn der Wolf aktiv wird, sei die Herde alleine. Komme das Raubtier dann in einen Blutrausch, könnten sich die Tiere anders als eine Kuhherde nicht wehren. Unter anderem deshalb hat er sich Herdenhunde angeschafft – insgesamt elf. „Ich brauche da fast neues Personal, das sich um die Hunde kümmert“, sagt er. Die finanziellen Mittel könne er dafür nicht aufbringen. In anderen Ländern oder Bundesländern, etwa Italien oder Niedersachsen, werden Schutzvorrichtungen gegen den Wolf in der Weidetierhaltung vom Staat bezuschusst, anders in Bayern.
Hier müsse erst etwas passieren, ehe ein Schutzzaun oder Hunde gefördert werden, so Ulrich Eisenbarth. Da sei es gerade bei Schäfern oftmals zu spät. Denn der Blutrausch der Wölfe halte solange an, bis sich nichts mehr bewege. Existenzen der Schäfer könnten so in nur einer Nacht zerstört werden. Schutzvorrichtungen alleine reichen laut Eisenbarth nicht. Er fordert eine Obergrenze für Wölfe, ähnlich wie in der Schweiz. Ein Vorbild für Bayern?
Das würde eine Entnahme der Tiere erfordern. Geht es nach dem deutschen Tierschutz, darf der Wolf wegen seines Schutzstatus in der Europäischen Union nicht gejagt werden. Lediglich bei sogenannten Problemwölfen, die Nutztiere reißen und dem Mensch gefährlich werden, sei es eventuell möglich, das Tier zu schießen, sagt Lea Schmitz, Pressesprecherin des Deutschen Tierschutzbundes.
Mutterkuhhalter Eisenbarth sieht die Gefahren des Wolfes, dennoch glaubt er, dass eine Weidetierhaltung und Wolf nebeneinander bestehen können. „Bei einem Angriff müssen die Tierhalter als Sicherheit ordentlich entschädigt werden, so wie es in der Schweiz der Fall ist“, sagt er. Außerdem bringe der Wolf auch positive Eigenschaften mit sich, denn er reguliere den Wildbestand. Rehe und Wildschweine hatten in den vergangenen Jahren keine natürlichen Fressfeinde. Auch der Biber gehöre zu seiner Beute.