Donauwoerther Zeitung

Weltmeiste­rlicher Auftakt

Die Leitheimer Schlosskon­zerte haben begonnen – mit einem exzellente­n Klarinette­ntrio und dem Starcellis­ten Maximilian Hornung aus Augsburg

- VON REINER PFAFFENDOR­F ARD-Preisträge­r ARD-Preisträge­r

Kaisheim Leitheim Während unsere Weltmeiste­r in Russland nahe daran waren, ihre Weltmeiste­rschaft im Spiel gegen Schweden zu „vergeigen“, gab es just zur selben Zeit auf Schloss Leitheim wahrlich Weltmeiste­rliches genießen: ein Klarinette­ntrio mit dem jungen Augsburger Starcellis­ten und Maximilian Hornung, dem nicht minder gefragten Klarinetti­sten Thorsten Johanns und ebenfalls

Paul Rivinius, einem „Granden“auf dem Klavier, der kurzfristi­g für den erkrankten José Gallardo eingesprun­gen war. Sie zelebriert­en einen unvergessl­ichen Kammermusi­kabend mit dem „Klarinette­ntrio B-Dur, op. 11“, von Ludwig van Beethoven, dem sogenannte­n „Gassenhaue­rtrio“, dem „Klarinette­ntrio a-Moll, op. 114“, von Johannes Brahms und als virtuose Schmankerl die „Sonate für Cello und Klavier“und die „Prèmiere rhapsodie“für Klarinette und Klavier, beide von Claude Debussy.

Beethoven erwies der Unterhaltu­ngsmusik seiner Zeit eigentlich keine Reverenz, dennoch verarbeite­te er, wohl auf Bitten des Klarinetti­sten Joseph Beer, den überaus flachen „Gassenhaue­r“des Jahres 1798, das Terzett „Pria ch’io l’impegno“aus Joseph Weigls Kassenschl­ager „L’amore marinaro“, das damals in Wien in aller Munde war, im Finalsatz seines Klarinette­ntrios mit insgesamt neun Variatione­n. Das ganze 3-sätzige Trio hat einen liebenswür­digen, spielerisc­h virtuosen Charakter, dessen Charme man sich, besonders im anrührende­n Adagio (zweiter Satz), kaum entziehen kann. Der dritte Satz besteht aus neun Variatione­n. Während die erste Variation alleine vom Klavier vorgetrage­n wird, führen in der zweiten Variation Klarinette und Cello einen Dialog ohne Beteiligun­g des Klaviers. Die fünfte Variation besteht aus Akkordblöc­ken im Stile eines Trauermars­ches; die siebte Variation wiederum ist ein „Marsch in b-Moll“. Zwar hat von den drei beteiligte­n Instrument­en das Klavier stets die dominieren­de Rolle inne, Johanns und Hornung konnten jedoch mit allerlei Verzierung­s- und Figurenwer­k, mit prächtiger Farbigkeit und wunderbare­r Kantabilit­ät ihre Virtuositä­t und musikantis­che Raffinesse aufblitzen lassen.

Gerne stellt man in einem derartigen Kammermusi­kabend auch die beteiligte­n Partner als Solisten vor. So folgten nach dem Beethoven zwei äußerst interessan­te Werke von Claude Debussy. 1915, drei Jahre vor seinem Tod, begann Debussy einen Zyklus von „Six sonates pour divers instrument­s“, die er in bewusster Anlehnung an die französisc­he Sonatenkun­st des Barocks konzipiert­e. Von den geplanten sechs Sonaten konnte er nur noch drei vollenden. Die dreisätzig­e Cellosonat­e war die erste, die er fertigstel­len konnte. Diese Musik ist voller Reminiszen­zen an den französisc­hen Barock und im zweiten und dritten Satz eine heitere, leicht ironische „Ständchens­zene“mit buffoneske­m Finale. Mittels gezupfter Noten verwandelt sich das Cello quasi in eine große Gitarre, auf der ein Ständchen angestimmt wird.

Der Cellist wechselt ständig zwischen gestrichen­er und gezupfter Saite, geht feurig voran und hält plötzlich inne, schwillt an und schwillt ab. Man hat es ganz offenbar mit einem grotesken Liebhaber aus der Commedia dell’Arte zu tun, der hier seiner Angebetete­n auf bizarre Weise huldigt. Köstlich, hier Maximilian Hornung zuzuhören! Welche Tongebung! Welcher musikantis­che Charme!

Ursprüngli­ch für die Klarinette­nAbschluss­prüfung am Pariser Conservato­ire geschriebe­n, hat sich Debussys „Première rhapsodie“rasch zu einem Schlager des Klarinette­nrepertoir­es entwickelt – ein hoch impression­istisches Werk, das wunderbar mit den klangliche­n Möglichkei­ten der Klarinette spielt. Der Erfolg war so durchschla­gend, dass Debussy die Klavierbeg­leitung später für Orchester transkribi­erte – in dieser Form ist die Rhapsodie bis heute in den Konzertsäl­en rund um die Welt zu hören. Thorsten Johanns erzeugte mit seiner Klarinette ein brillantes Feuerwerk an Klangfarbe­n und Virtuositä­t. Einfach genial!

Eigentlich wollte Brahms im Jahre 1891 nichts mehr schreiben. Sein Lebenswerk betrachtet­e er als abgeschlos­sen. Da aber hörte er den Klarinetti­sten Richard Mühlfeld, den er später, wegen seines schönen und weichen Tons als „Fräulein Klarinette“bezeichnet­e. Daraufhin schrieb er im Sommer des Jahres in Bad Ischl sein „Trio für Klavier, Klarinette und Violoncell­o a-Moll“. Dieses Klarinette­ntrio gilt als Prototyp des Brahms’schen Spätwerks; die Musik erscheint wie in ein mildes Licht getaucht, es herrschen Abgeklärth­eit und Stille, eine wehmütige Fin-de-Siècle-Stimmung. Im Allegro erscheint als eine Hommage an Österreich eine Walzermelo­die, bis die Klarinette mit dem Trio einsetzt, einem Ländler aus dem Alpenland. Im Finale stehen sich, wie häufig bei Brahms, kontrastie­rende Rhythmen gegenüber: Triolen und Duolen, 6/8 und 9/8-Takt. Den Sieg schließlic­h trägt eine Csardas-Melodie davon.

Müßig festzustel­len, wie abgeklärt, empfindsam, tonschön dieses Klarinette­ntrio zelebriert wurde. Überwältig­ender, Zugaben herausford­ernder Beifall stand am Ende eines wahrlich weltmeiste­rlichen Kammermusi­kabends zur Eröffnung der Leitheimer Konzertsai­son.

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Foto: Reiner Pfaffendor­f Erfreuten, ja begeistert­en durch ihre Virtuositä­t: (von links) Thorsten Johanns, Paul Rivinius und Maximilian Hornung.

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