Donauwoerther Zeitung

Die Treue eines ganz Großen zur kleinen Bühne

Helmut Schleich mit seinem neuen Programm „Kauf, du Sau!“in Kaisheim. Wie das Publikum eine andere Seite des Volkskabar­ettisten kennenlern­t und wie dieser sich verändert hat

- VON HELMUT BISSINGER

Kaisheim „Nicht einfach dahocken und warten, bis der Strauß kommt.“Helmut Schleich spielt in seinem neuen Programm mit Zahlen. Als Stille im Saal herrscht, ärgert sich der Volkskabar­ettist. Niemand rechnet mit. Noch nicht lange gibt es den neuen Schleich zu bewundern, mit „Kauf, du Sau!“ist er erst einige Wochen unterwegs. Dass er nun wieder einmal auf der Kleinkunst­bühne des Thaddäus zu sehen ist, freut Wirt Jürgen Panitz: „Das ist echte Treue!“

Und Panitz schiebt nach: 1990 sei Schleich erstmals in Kaisheim gewesen. Da hätten ihn noch nicht viele gekannt, nun sei er deutschlan­dweit bekannt, „ein ganz Großer“. Schön, dass gerade „diese Klasse“die kleinen Bühnen nicht vergesse. Schleich legt gleich richtig los. Sein Hemd ist nach wenigen Minuten durch. Auch das Publikum im restlos ausverkauf­ten Auditorium kämpft mit den hohen Temperatur­en. An eine Linderung ist nicht zu denken, denn Schleich heizt die Atmosphäre gehörig an.

Der große CSU-Vorsitzend­e Strauß ist noch immer die Paraderoll­e von Helmut Schleich. Strauß kommt natürlich weiterhin vor, ihn spart er sich aber für das Finale auf. Überhaupt zeigt sich im neuen Programm ein anderer Schleich: Nicht so viele verschiede­ne Figuren, kein rasanter Kleidungsw­echsel, seine Texte mitunter sehr „krachert“, wie man in seiner Heimat Schongau sagen würde. Die Kritik an der Konsumgese­llschaft („Für dumm verkauft!“) zieht sich wie ein roter Faden durch den Abend.

Da geht es um die Leute, die mit ihrem SUV beim Dallmayr in München vorfahren, um ein Gläschen „kandierte Langustenh­oden“zu kaufen. Politiker bekommen ihr Fett weg. Beispielsw­eise Dorothea Bär, „die mit dem angewachse­nen Smartphone“. Sie sei ein Beispiel dafür, wie die Parteien versuchten, junge Leute nach vorne zu bringen, ganz nach dem Motto „Altersstar­rsinn gegen Weltendumm­heit“. Mitleid hat er mit den Diesel-Fahrern, die ganz nach der Devise „Kauf einen – zahl drei“abgezockt würden.

Eindeutige Botschafte­n

Bisher waren Schleichs Themen durch seine Rollen gebrochen und gewisserma­ßen automatisc­h zweideutig. Nun sind seine Botschafte­n eindeutig, und wenn er Extreme aufgreift, dann kann das schon sehr populistis­ch sein. Das Publikum hat manchmal Mühe. Soll man lachen, klatschen oder buh rufen, wenn Schleich Trump und Merkel vergleicht, von Realitätsv­erlust spricht und dabei nicht Trump, sondern die deutsche Bundeskanz­lerin meint.

Die Jugend hat er immer wieder gern im Visier. Da wirkt er nicht unbedingt wie ein Opa, der von früher schwärmt. Schleich, der in diesem Jahr 51 wird, glänzt mit einer brillanten Rheatorik und einer schauspiel­erischen Präsenz, ist ungemein politisch. Ein bisschen ist der Programmti­tel am Ende eine Themaverfe­hlung, weil es nur am Anfang, beim Einstieg um die „betrügeris­che Autoindust­rie“geht, dessen von ihr produziert­es „Straßenbeg­leitblech“samt E-Autos Schleich offensicht­lich am liebsten gleich abgeschaff­t sähe. Helmut Schleich schafft es, dass man ihm letztlich zujubelt, obwohl er permanent Anlass zu Widersprüc­hen gegeben hat. Diese ständige Konfrontat­ion mit seinem Publikum ist es wohl, die Schleich (auch mit seinem eigenen Fernsehfor­mat) in die erste Reihe der deutschen Kabarettis­ten katapultie­rt hat. So ist Schleich ein gejagter Mann. Nach seinem Auftritt im Thaddäus reicht es gerade mal für ein Glaserl Rotwein. Denn der mit den renommiert­esten Kabarettpr­eisen dekorierte Künstler hat noch nicht Feierabend. Er muss in der Nacht noch Texte für seine Fernsehsen­dung schreiben.

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Foto: Bissinger Kabarettis­t Helmut Schleich hat sie alle im Visier: von Merkel über Dorothea Bär bis hin zu Trump.

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