Die Wucht des Scheiterns
Ein ausgezeichneter Höllenritt
Bei den abertausenden Büchern, die als Übersetzungen aller möglichen Sprachen bei uns erscheinen: Wer kennt die Namen, wer kann die Perlen angeln? Der jährliche Internationale Literaturpreis, vergeben vom Haus der Kulturen der Welt in Berlin, steht dafür. Durch ihn wurde kürzlich der Roman der Kroatin Ivana Sajko (samt Übersetzerin Alida Bremer) prämiert. Und es ist tatsächlich eine Entdeckung, die sich hinter dem so lapidaren wie sarkastisch fehlleitenden Titel „Liebesroman“verbirgt. Es geht hier um das Scheitern – das kleine konkrete Scheitern einer jungen Ehe samt Kind und um das große drohende Scheitern einer Gesellschaft an eskalierender Ungleichheit im Kapitalismus. Das erinnert in Wucht und Schonungslosigkeit an die fulminant abgründigen Romane der deutschen Sibylle Berg – psychologisch scharf, soziologisch schneidend. Nur hat Ivana Sajko ihren ganz eigenen Rhythmus, treibt lange, sinnende Sätze aus, um diese dann mit einer Salve an kurzen zu zerschießen. Stark, wie sie so ihr Drama zwischen einem immer flüchtigen Ihm und einer nie ganz aufrichtigen Ihr auffächert – erschütternd, wie ein Kind unweigerlich zur Projektionsleinwand all dessen wird. Schade einzig, dass das Schriftstellerdasein und das Schreiben dieses Buches in einer Art Metaebene auch noch Thema werden mussten. Der Rest ist unmittelbar, hart, klar, gut.
Übs. Alida Bremer, Voland & Quist, 176 S., 18 ¤