Heimwärts in den Osten
Warum es so viele zurückzieht
Spremberg Eine kleine Straße, wie man sie sich in einer Neubausiedlung in Deutschland vorstellt: gepflegte Einfamilienhäuser, frisch angelegte Gärten mit Spielgeräten. Neuer Straßenbelag, hier und da wird noch gebaut. Doch diese kleine Straße in Südbrandenburg hat eine Besonderheit. Anwohner Ivo Baumert zeigt von seinem Grundstück auf Häuser von Nachbarn. Sie alle verbinde eines mit ihm: Nach der Wende zogen sie aus ihrer Heimatstadt Spremberg nach Westdeutschland – und kamen wieder zurück.
Immer mehr Weggezogene – ob in andere ostdeutsche oder westdeutsche Bundesländer – zieht es wieder an frühere Wohnorte im Osten. Die Regionen buhlen um sie. Es gibt viele Rückkehr-Initiativen und -Netzwerke. Es wird in Werbung und Kampagnen investiert. Nicht erst seit kurzem. Der Slogan einer Postkarten-Aktion vor Jahren aus Brandenburg etwa lautete so: „Mach Mutti glücklich. Komm zurück.“Es gibt sie bis heute.
Der Landkreis Harz in SachsenAnhalt betreibt eine Willkommensagentur für Rückkehrwillige. Sie vermittelt als erster Ansprechpartner Kontakte. „Die Anfragen steigen und auch die Zahl der Rückkehrer“, sagt die Verantwortliche Anja Ulrich. Die Städte Wernigerode und Quedlinburg seien zurzeit besonders begehrt.
Bei Familie Baumert lief die Rückkehr ganz ohne fremde Hilfe ab. Seit annähernd einem Jahr lebt das Ehepaar mit seinen zwei Kindern wieder in Spremberg, zuvor hatten sie in Hamburg gewohnt. „Wir wollten wieder näher Richtung Familie ziehen, auch wegen der Hilfe der Großeltern bei der Kinderbetreuung“, sagt Stefanie Baumert. Eigentlich wollte das Ehepaar in den Speckgürtel von Berlin ziehen, weil sie in der Hauptstadt auf schnelle Anschluss-Jobs hofften. Doch es gab ein Problem. „Alle sind auf der Suche nach Immobilien, aber in und um Großstädte herum sind sie teuer“, sagt Ivo Baumert. Damit habe es einen Grund mehr für Südbrandenburg gegeben. Auch wenn bislang nur der 37-Jährige eine Arbeit in Cottbus als Steuerberater gefunden hat und seine 40 Jahre alte Frau als Bankkauffrau noch auf Jobsuche ist.
Der Trend zur Rückkehr hat in den vergangenen Jahren in Ostdeutschland zugenommen, wie Tim Leibert vom Leibniz-Institut für Länderkunde in Leipzig sagt: „Rückwanderung ist in erster Linie eine Rückwanderung in soziale Netze wie Familie.“Leibert stützt sich auf eine Studie des Instituts. Die Untersuchung zeigt auch, dass Rückkehr kein speziell ausgeprägtes Phänomen im Osten ist, sondern genauso in Westdeutschland vorkommt. Bundesweiter Spitzenreiter bei der Rückkehrerquote in dem Beobachtungszeitraum ist laut Studie allerdings der ostdeutsche Landkreis Eichsfeld in Thüringen. Landrat Werner Henning (CDU) geht davon aus, dass der dominierende Faktor das Lebensgefühl mit Landschaft, Kultur, Religion und Familie sei, was viele an die Region binde.