Sie betet noch immer für Mugabe
Eine Ordensfrau aus Bayern verschlägt es nach Simbabwe. Sie erlebt, wie aus einem Hoffnungsträger ein grausamer Diktator wird. Und doch wird das Land für sie zur Heimat
Harare Am Montag bestimmen die Menschen in Simbabwe ein neues Parlament und ihren Präsidenten. Es ist die erste Wahl seit dem Ende der jahrzehntelangen Diktatur von Robert Mugabe. Doch der Geist des greisen Despoten ist noch immer allgegenwärtig. Auch in einem Dominikanerkloster, das eine Nonne aus Bayern leitet. „Er war einmal ein guter Katholik. Wahrscheinlich war es die Macht, die ihn so korrumpiert hat. Er hat vieles vor dem Herrn zu verantworten“, sagt Schwester Ferrera. Der Mann, über den sie spricht, ist der Vater einer ehemaligen Schülerin und war bis vor acht Monaten Präsident des Landes. Die Missionsschwester lernte Mugabe bei Elternabenden oder Feiern im Kloster kennen. Die 78-Jährige lebte schon im heutigen Simbabwe, als der damalige Hoffnungsträger das Land in die Unabhängigkeit führte. Jetzt erlebt sie, wie das von Mugabe ruinierte Land sich neu erfindet.
Nachdem sie zunächst in ihrer Heimatstadt Regensburg als Sekretärin bei der Kriminalpolizei gearbeitet hatte, entschloss sich die damals 20-jährige Thea Maria Weinzierl, ins Kloster zu gehen und den Namen Ferrera anzunehmen. 1962 schickte ihr Orden sie nach Südrhodesien, das heutige Simbabwe. In der britischen Kolonie führte eine kleine weiße Oberschicht ein privilegiertes Leben, während der Großteil der einheimischen Bevölkerung in Armut lebte. Seit Mitte der 60er führten schwarze Unabhängigkeitskämpfer – unter ihnen Robert Mugabe – einen Guerillakrieg gegen die weiße Minderheitsregierung.
Die junge Schwester aus Bayern geriet in die Kriegswirren. Als Kämpfer 1977 eine Missionsstation der Dominikanerinnen angriffen, suchten die Angreifer die weißen Schwestern und hellhäutigen Jesuiten raus und schossen sie mit ihren Kalaschnikows nieder. „Auf einer anderen Missionsstation wurde eine unserer Schwestern mit einem großen Prügel erschlagen“, erinnert sich Schwester Ferrera, während sie Schwarz-Weiß-Fotos anschaut. Sie weiß, dass auch sie damals hätte getötet werden können. Trotzdem dachte sie nie daran, das Bürgerkriegsland zu verlassen. „Meine Schwestern aus Simbabwe und die uns anvertrauten Schülerinnen und Kranken konnten ja auch nicht einfach davonlaufen und ich wollte sie nicht im Stich lassen.“
Während des Unabhängigkeitskrieges kümmerte sich Schwester Ferrera um Kinder, die ihre Eltern verloren oder von ihren nach Vergewaltigungen schwanger gewordenen Müttern ausgesetzt worden waren. Eines dieser Babys grub sie 1980 aus einem Laubhaufen aus. „Die Ameisen hatten das zum Sterben ausgesetzte Mädchen schon so sehr zerbissen, dass es am ganzen Kopf blutete“, erzählt die Schwester. Sie gab dem Kind den Namen Tariro. In Shona, der wichtigsten Sprache Simbabwes, heißt das „Hoffnung“. Fast 38 Jahre nachdem sie Tariro das erste Mal in Händen hielt, zeigt Schwester Ferrera das Foto einer hübschen Frau. Aus dem halb toten Baby ist die glückliche Mutter von vier Kindern geworden. Oft kommt sie ihre Retterin besuchen.
Die ersten Jahre nach dem Unabhängigkeitskrieg hat die Missionarin aus Bayern in guter Erinnerung. Mugabe wurde als Hoffnungsträger gefeiert, mit dem jungen Simbabwe ging es bergauf, und die Klosterschule der Dominikanerinnen hatte eine berühmte Schülerin – die einzige Tochter Mugabes. Der Ordensfrau fällt es immer noch schwer, zu begreifen, dass der fürsorgliche Vater ihrer ehemaligen Schülerin und der brutale Diktator ein und dieselbe Person sind. Dass es im November zum unblutigen Putsch gegen den greisen Diktator kam, erlebte sie als große Erleichterung. Doch jetzt, acht Monate nach dem Ende der über 37 Jahre währenden Herrschaft Mugabes, ist vielen Simbabwern die Feierlaune vergangen. Viele Arbeitslose klagen, dass die neue Regierung bislang kaum neue Jobs geschaffen hat und die Lebensmittelpreise stark angestiegen sind.
Schwester Ferrera steht jeden Tag um 4.30 Uhr auf, um dafür zu beten, dass ihr Herr Simbabwe auf dem Weg in eine gute Zukunft begleitet. Dann schließt sie auch den ehemaligen Diktator in ihre Gebete mit ein. „Schließlich haben wir alle die Barmherzigkeit Gottes nötig.“