Hauptstraße 72: Es muss etwas passieren
Das Gebäude nahe dem Schwabtor ist nicht nur optisch fragwürdig. Laut Gutachten ist es auch in Statik und Substanz derart gefährdet, dass „Sofortmaßnahmen unverzüglich geboten sind“. Die Stadt hat eine klare Meinung dazu
Rain „Hauptstraße 72“ist in Rain längst zum Synonym für einen optischen Schandfleck geworden. Seit vielen Jahren steht das Gebäude mit dieser Adresse leer, gammelt ungehindert vor sich hin. Nicht nur der Putz bröckelt von der Fassade ab – aber der ist das wohl augenfälligste Zeichen für den fortschreitenden Verfall.
Dabei hätte das denkmalgeschützte Wohn- und Geschäftshaus aus dem 18. Jahrhundert durchaus Potenzial, ein schmucker Blickfang zu sein. Und auch durch seine Lage nahe dem Schwabtor in der historischen Altstadt könnte es die pittoreske Häuserkulisse wunderbar ergänzen. Die Stadt Rain hat es vor einiger Zeit erworben und überlegt nun, was damit werden soll.
Mittlerweile steht nun allerdings fest, dass nicht nur das äußere Erscheinungsbild deutlich zu wünschen übrig lässt. Auch Statik, Konstruktion und Substanz des Hauses sind in einer insgesamt ziemlich problematischen Verfassung, wie ein Gutachten ergeben hat. Akut einsturzgefährdet ist „Hauptstraße 72“zwar derzeit wohl nicht, dennoch muss dringend etwas passieren, um die öffentliche Sicherheit nicht zu gefährden.
Laut der Untersuchungen des Gredinger Büros Wolfrum sind die Dauerhaftigkeit des Bauwerks sowie dessen Stand- und Verkehrssicherheit nicht mehr gegeben. „Sofortmaßnahmen sind unverzüglich geboten“, rät der Gutachter. Über erste Absicherungen hinaus empfiehlt er zudem die komplette Sanierung bis zum Jahr 2020. Passiert nichts, steht zu befürchten, dass sich die Schäden weiter ausbreiten und es letztlich zum stellenweisen Einsturz kommt.
Im Bericht des Büros Wolfrum ist die Grundfläche des zweigeschossigen Gebäudes mit etwa 14 mal 8 Metern angegeben. Die Außenwände des Erd- und Obergeschosses bestehen aus Ziegelmauerwerk, während das Giebeldreieck als Fachwerkwand ausgebildet wurde. Auf der nördlichen Traufseite wurden ein eingeschossiges Querhaus mit Satteldach und ein Flachdachbau angebaut, die beide nicht unter den Denkmalschutz fallen. Das Bauwerk ist mit einem Gewölbekeller teilunterkellert.
Im Dachgeschoss ist – so der Sachverständige – die Tragfähigkeit überlastet. „Verformungen an den Deckenbalken und Pfetten stellen sich ein“, heißt es im Bericht. Der Vorbesitzer hatte das gesamte Oberschoss entkernt und dabei tragende Innenwände, Unterzüge und Stützen ersatzlos ausgebaut. Dadurch ist die Tragfähigkeit der dortigen Deckenbalken überlastet und sie verformen sich.
Die Deckenbalken des Erdgeschosses waren für den Gutachter nicht einsehbar. Er konnte deshalb keine Untersuchungen anstellen und kann Schäden und Überlastungen allenfalls nicht ausschließen.
In Bezug auf das Fundament gibt es derzeit keine Bedenken des Experten. Er empfiehlt aber dennoch, es auch instand zu setzen, um die notwendige Sanierung des Hauses möglich zu machen. „Ohne solche Maßnahmen sind Setzungen am Bauwerk nicht auszuschließen.“
Die Stadt Rain hat zur Thematik eine klare Haltung. Wie Bürgermeister Gerhard Martin in der Stadtratssitzung am Dienstag sagte, scheint der Abriss des maroden Gebäudes aus seiner Sicht und der der Verwaltung die vernünftigste Lösung zu sein. Bis dato liegt noch keine Stellungnahme des Landesamts für Denkmalpflege vor, er hoffe aber, die Behörde schließe sich der Meinung der Stadt an. „Wenn nicht“, so Martin, „müssen wir das Gebäude möglichst kurzfristig abstützen, um es zu sichern.“
Stadträtin Eva-Maria Weber teilte die Meinung des Bürgermeisters: „Das ist ja ein Millionengrab, wenn wir dieses Haus aufrechterhalten müssen. Es wäre wirklich wünschenswert, etwas Neues dorthin bauen zu können.“
Jetzt warten alle gespannt auf die Antwort der Denkmalschützer. Denn deren Haltung gibt die Richtung vor, wie es weitergeht mit der „Hauptstraße 72“.