Ein Baustellenbesuch im Humboldt Forum
Es gibt noch viel zu tun für das Ethnologische Museum im Stadtschloss an der Spree. Und es fehlen noch 20 Millionen für die Fassade
Berlin Franco Stella steht in der langgezogenen Passage zwischen Schlüterhof und Eosanderhof im Humboldt-Forum des Berliner Stadtschlosses und gestikuliert wild mit den Armen. Um den Architekten aus Vicenza hat sich eine Traube von Menschen gebildet. Besucher dieses Tags der offenen Baustelle bedanken sich bei ihm, wollen seine Hand schütteln. Der Italiener zeigt auf die beiden Fassaden aus Sandstein, die sich in einem schlichten Grau über drei Stockwerke in den Himmel ziehen. Leidenschaftlich spricht er über die Verknüpfung der Rekonstruktion der drei historischen Fassaden im barocken Stil und der modernen vierten Fassade an der Ostseite des Stadtschlosses, die nüchtern und wie glatt poliert im Licht zwischen den verschiedenen Grautönen changiert.
Für Stella ist das kein Widerspruch. „Die Leute werden es besser verstehen, wenn die Gerüste einmal verschwunden sind“, sagt er. „Zeitlose Moderne“nennt Stella die Verbindung. Auch die Ostfassade sei Schlüter nachempfunden – wie der Abstand der Fenster zeige. Es sei eine Vereinfachung seines Stils und zeige Rationalität, so Stella. Das Gebäude habe sich über 400 Jahre hinweg baulich verändert. Stolz ist Stella auf die Einzigartigkeit der Piazza inmitten der Stadt.
Zum sechsten und letzten Mal konnten Besucher die Baustelle des Humboldt-Forums im Berliner Stadtschloss betreten. Der Andrang: groß. Besucher standen etwa 150 Meter Schlange. Sicherheitspersonal achtete darauf, dass sich auf dem gesamten Baustellengelände nicht mehr als 2000 Besucher befanden. Über 30 000 waren es wohl am Ende des Wochenendes. Im Schlüterhof wurde auf zwei großen Leinwänden per Zeitraffer der Baufortschritt seit der Grundsteinlegung im Jahr 2013 gezeigt. An einigen Teilen der historischen Fassade ist noch roter Backstein zu sehen.
100 000 Quadratmeter umfasst die Gesamtfläche des Schlosses, auf der künftig das Ethnologische Museum mit Exponaten aus Afrika, Asien und Amerika zu sehen sein wird. Das Stadtschloss, 1443 erbaut, war einst Residenz der Hohenzollern. Anfang des 18. Jahrhunderts begann Schlossbaumeister Andreas Schlüter im Auftrag des Kaisers Friedrich III. mit dem Bau des Schlüterhofs im Ostflügel des Schlosses. Einige Jahre später löste Johann Eosander von Göthe den Baumeister Schlüter ab und erweiterte das Schloss auf der gegenüberliegenden Westseite.
1950 ließ die DDR das Schloss sprengen. Der Bauschutt wurde in Dahlem gelagert. Nach einem Beschluss des Bundestages, das Schloss wieder zu errichten, begann 2013 der Wiederaufbau. 483 Millionen Euro der kalkulierten Gesamtkosten von 620 Millionen Euro trägt der Bund, 32 Millionen kommen vom Land Berlin und 105 Millionen werden für die Rekonstruktion der Fassaden und der historischen Kuppel von Förderverein und Stiftungen gesammelt. 20 Millionen fehlen noch.
Die fehlende Summe war für den Bauvorstand der Stiftung Humboldt-Forum, Hans-Dieter Hegner, der Grund, diesen Tag der offenen Baustelle zu veranstalten: „Wenn man einen solchen gewaltigen Spendenaufwuchs generieren will, muss man auch zeigen, dass die Spenden gut angelegt sind“, sagt er.
Hegner weist auch auf die große Bedeutung des Ortes hin. Eine Ausstellung zur Geschichte soll die Vergangenheit und Gegenwart beleuchten. „Hier hat der Kaiser die Mobilmachung für den Ersten Weltkrieg unterschrieben“, so Hegner.
Der Bau des Stadtschlosses soll Ende nächsten Jahres komplett fertiggestellt sein. In Etappen werden die einzelnen Museen und Ausstellungen im Schloss eröffnen. Die Prognose, rechtzeitig fertig zu werden, schätzt Hegner „gut“ein. „Wir liegen im Zeitplan.“Einige große Exponate, wie 18 Meter lange Südseeboote, befinden sich bereits im Gebäude. Für Hegner ein Meilenstein im Wachsen des Hauses.
Dennoch habe die Baustelle das gleiche Problem wie viele andere in diesem Land. Hans-Dieter Hegner schließt nicht aus, dass es auf der Zielgeraden noch Probleme geben könne. In Zeiten von Hochkonjunktur und Kapazitäts- sowie Lieferengpässen müsse damit gerechnet werden.