Einzelhaft für ein Kuscheltier
Papageien sind beliebte Haustiere. Dabei ist das Halten von Vögeln schon lange in der Kritik. Weil zahme Vögel besonders gefragt sind, werben Züchter mit Handaufzuchten. Tierschützer sehen darin eine Gefahr
Augsburg Papageien sind ein Blickfang. Wegen ihres buntes Gefieders, den durchdringenden Augen. Manche sind sehr zahm und ahmen menschliche Laute nach. Sie als Haustiere zu halten ist beliebt. Sie in ihren Bedürfnissen, ihrer Freiheit einzuschränken, allerdings umstritten. Die Handaufzucht steht besonders in der Kritik.
In vielen deutschen Haushalten sind Vögel Teil der Familie. Laut dem Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands belief sich die Zahl der Ziervögel im Jahr 2017 auf 5,3 Millionen – 700 000 Tiere mehr als 2016. Am häufigsten schaffen sich Tierbesitzer Wellensittiche an, die populärste Papageienart. Auch Aras, die größten der Ordnung, finden Platz in deutschen Wohnzimmern. „Viele Menschen holen sich Vögel, weil sie denken, dass sie anspruchslos sind in der Haltung“, sagt Lena Uczen, Tierpflegerin im Augsburger Tierheim. Das sei ein Trugschluss. Papageien gelten als besonders intelligent. Sie wollen beschäftigt werden. Sitzen sie den ganzen Tag nur auf der Stange, wird das dem Flugtier nicht gerecht.
„Papageien werden in Gefangenschaft als Heimtiere gehalten, weil Menschen sich langweilen und ein- sam sind, also zur Kompensation ihrer sozialen und psychischen Probleme“, sagt Hans-Hermann Braune, Vorsitzender des PapageienschutzCentrums Bremen. Das bundesweit einzigartige Papageienschutz-Projekt kümmert sich auf 560 Quadratmetern um kranke und verhaltensgestörte Papageien aus der Gefangenschaft. Papageienhaltung lehnt der Verein grundsätzlich ab.
Geht es den Tieren in menschlicher Umgebung schlecht, ist das nicht gleich sichtbar. Darin liege das Problem, sagt Uczen. „Vögel jaulen nicht, manche hören nicht mal auf zu fressen.“Dass es den Vögeln nicht gut geht, sei zum Beispiel daran zu erkennen, dass sie sich apathisch auf der Stange bewegen, keinen Kontakt zur Außenwelt wollen, sich die Federn rausrupfen. Werden die Tiere alleine gehalten, ist das besonders schlimm. „Papageien können aus Einsamkeit sterben.“Als Schwarmtiere leben sie in der freien Natur mit bis zu tausenden Artgenossen zusammen.
Gerade wenn Papageien ohne Partner gehalten werden, können sie lernen, mit ihrem Besitzer zu sprechen, indem sie seine Laute nachahmen. Experte Braune hält das für eine Verhaltensstörung, begründet durch das Leben in Gefangenschaft. Sobald sprechende Papageien wieder mit Gleichgesinnten im Schwarm zu- sammenleben, würden sie nur noch selten menschliche Laute imitieren. „Weil die menschlichen Sprechlaute in der arteigenen Kommunikation keine Funktion haben.“
Geht es nach Braune und Tierpflegerin Uczen, gibt es keine artgerechte Haltung für Papageien. „Haltung ist nur ein anderer Begriff für Gefangenschaft“, betont der Bremer Tierschützer. Kein Käfig, keine Voliere könnte dem Tier das bieten, was es braucht.
Die Mindestanforderungen für die Haltung von Papageien hat das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung festgelegt. Den Leitlinien zufolge sollen zum Beispiel Aras über 60 Zentimeter Gesamtlänge mindestens in einer vier Meter langen, zwei Meter breiten und zwei Meter hohen Voliere untergebracht werden. Kann das artgerecht sein? Die Flügelspannweite eines Gelbbrustaras beträgt 90 Zentimeter. Mit nur wenigen Flügelschlägen fliegt das rund 85 Zentimeter große Tier meterweit. Selbst wenn die Voliere den Maßgaben entspreche, sagt Uczen, angemessen sind die Vorgaben keinesfalls. „Ideale Bedingungen bietet nur die Freiheit, die Gefangenschaft ist – wie immer sie auch gestaltet wird – schädigend“, bestätigt Braune.
In ihren natürlichen Lebensräumen legen Papageien auf der Suche nach Nahrung kilometerweite Strecken zurück. Außerdem seien sie Fluchttiere, betont der Experte. Im Normalfall würden Papageien vor Menschen fliehen. „Wenn sie können und nicht durch Zähmung, Fehlprägungen oder Flügel stutzen, was verboten ist, gehindert sind.“
Schon oft hat das Tierheim Augsburg Vögel aus schlechter Haltung aufnehmen müssen. Zuletzt 150 Flugtiere, darunter viele Wellensittiche, aus einer Wohnung im Augsburger Stadtteil Oberhausen. Ein Mönchsittich ist vor kurzem ebenfalls als Fundtier ins Tierheim bekommen. Dieser sei stark auf Menschen fixiert und zeige keinerlei Interesse an Artgenossen, erzählt Tierpflegerin Uczen. Im Tierheim geht man davon aus, dass der Vogel mit der Hand aufgezogen wurde. Viele Papageienzüchter werben mit dieser Form der Aufzucht. Denn werden die Federtiere von Menschen aufgezogen, sind sie in der Regel zahmer und lassen sich kuscheln. Menschen finden das meist besonders süß.
Dabei zeigten gerade diese Papageien häufig Verhaltensstörungen, sagt Braune. Sie rupfen sich das Gefieder raus und sind unfähig, eine Paarbindung einzugehen. Das gesamte Sozial-, Balz- und Paarungsverhalten ist gestört. Das äußert sich laut Braune unter anderem darin, dass die Papageien Menschen und Gegenstände nutzen, um ihren Geschlechtstrieb zu befriedigen. Die Handaufzucht, sagt Braune, müsse verboten werden. „Durch die Handaufzucht sollen zahme, auf den Menschen fixierte Kuscheltiere produziert werden.“Der Papageienschützer sieht dahinter ein profitables Geschäftsmodell der Züchter, weil die Vögel oft teuer verkauft werden.
Auch der Deutsche Tierschutzbund lehnt diese Zuchtform ab. „Dahinter steht ein altmodisches Bild des zahmen Nymphensittichs auf der Schulter eines Menschen oder des sprechenden Papageien im Wohnzimmer. Handaufzuchten tragen dazu bei, dieses falsche Bild aufrechtzuerhalten und weiter zu festigen“, schreibt die Organisation in einer Pressemitteilung. Lebt ein Papagei einmal in Gefangenschaft, kann er nicht mehr ausgewildert werden. Sich in seinem natürlichen Lebensraum zu integrieren, wäre dem Tier nicht mehr möglich.
„Durch die Handaufzucht von Papageien sollen zahme, auf den Menschen fixierte Ku scheltiere produziert werden.“Hans Hermann Braune, Papageien Experte