Schwäche gezeigt und stärker geworden
Ruth Davidson ist die Hoffnung der britischen Konservativen. Dass sie ganz offen über ihre dramatische Jugend spricht, nötigt sogar dem politischen Gegner Respekt ab
ber Jahre kursierte auf der Insel der Witz, dass es in Schottland mehr Pandabären gibt als konservative Abgeordnete, nachdem der Zoo in Edinburgh zwei Tiere aus China geliehen hatte. Die Tories nämlich hatten nur einen einzigen Parlamentarier in Westminster vorzuweisen. Das änderte sich erst mit einer Frau: Ruth Davidson. Die Vorsitzende der schottischen Konservativen sorgte für die Wiederbelebung im traditionell links wählenden Schottland und führte bei der Unterhauswahl im vergangenen Jahr ihre Partei zum größten Erfolg seit 1983. 13 Parlamentssitze gewannen die Tories „nördlich der Grenze“, wie es gerne heißt. Ihre erfrischend direkte und bodenständige Art kommt an – sogar so sehr, dass die 39-Jährige schon als Kandidatin für den Vorsitz der Konservativen gehandelt wurde. Diese Hoffnungen hat Davidson nun enttäuscht und sich erstaunlich offen über die Gründe geäußert, warum sie niemals das Amt des Premierministers übernehmen wolle.
Nicht nur, dass sie mit ihrer Verlobten Jen Wilson ihr erstes Baby erwartet und deshalb nicht aus Edinburgh wegziehen würde. So berichtete sie auch, dass sie als Teenager unter psychischen Problemen gelitten habe. Der Selbstmord eines Jungen aus ihrem Heimatort ließ sie „abstürzen“, wie sie in einem demnächst erscheinenden Buch enthüllt. Sie fing damals an, gerade 17 Jahre alt, sich selbst zu verletzen. Mit Rasierklingen oder Glasscherben habe sie sich die Haut aufgeritzt oder mit den Fäusten gegen Mauern geschlagen. Mit 18 die Diagnose: Depressionen. Doch durch die Medikamente bekam sie „verzweifelte, dunkle, schreckliche Träume“, wie sie schreibt. „Ich begann, Selbstmordgedanken zu haben.“Für ihr ehrliches Interview erhielt die Abgeordnete viel Zuspruch. Es sei noch immer zu selten, dass aktive Volksvertreter so offen über jegliche gesundheitlichen Probleme redeten, hieß es in der Wochenzeitung „Wir müssen weiterhin alles daran setzen, die Stigmatisierung um psychische Erkrankungen zu beenden“, sagte der schottische Labour-Chef Richard Leonard und lobte seine konservative Widersacherin für ihren Schritt.
Davidson verglich die Depressionen mit einer „erdrückenden schwarzen Decke“, die ihr während ihrer Zeit an der Universität Edinburgh alle Energie geraubt habe. Sie studierte Englische Literatur, arbeitete dann als Journalistin, bevor sie in Glasgow ihren Master in Internationaler Entwicklungshilfe machte und im Anschluss in die Politik wechselte. Bis heute hat sie Angst vor einem Rückfall. Machtkämpfe, wie ihre Partei sie derzeit erlebt, will die Brexit-Gegnerin nicht ausfechten. „Dafür wertschätze ich meine Beziehung und meine psychische Gesundheit zu sehr“, sagte Davidson. Ihre Beliebtheit unter den Briten ist auch deshalb nur noch weiter gestiegen.