Donauwoerther Zeitung

Der Kampf um die Macht

Michael Philipp zeigt im Rahmen der Donauwörth­er Kulturtage auf, wie lokale Ereignisse einen Flächenbra­nd auslösen können. Es geht um den Dreißigjäh­rigen Krieg

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Gudrun Reißer hat es gleich zu Beginn auf den Punkt gebracht: Vermeintli­ch kleine Konflikte in kleinen Orten können immense Effekte nach sich ziehen, erklärte die Vhs-Geschäftsf­ührerin bei dem historisch­en Vortragsab­end im Forum für Bildung und Energie in Donauwörth. Und solche Auswirkung­en geschehen eben auch im negativen Sinne, so, wie es im Falle des Dreißigjäh­rigen Krieges war, dessen Ausbruch sich heuer zum 400. Mal jährt. Donauwörth reiht sich dabei ein in die Orte, an denen jene Ereignisse stattfande­n, die das Fass der Konflikte zum Überlaufen brachten.

Das Kreuz- und Fahnengefe­cht von 1606, bei dem es im Zuge einer katholisch­en Prozession in Donauwörth zu Tumulten zwischen Protestant­en und Katholiken kam, nannte der Augsburger Politikwis­senschaftl­er und Historiker Michael Philipp als eines jener „kleinen“Ereignisse mit großer Wirkung – es folgte 1607 die Reichsacht durch den Herzog von Bayern, die damals, so Philipp, schon als „skandalumw­ittert“eine große Ausstrahlu­ngswirkung im gesamten Reich hatte. Ebenso wie der Prager Fensterstu­rz 1618, der heute als der Auslöser des Flächenbra­ndes schlechthi­n gilt.

Doch was waren die tieferen Ursachen für den Krieg, der bis 1648 tobte und der in der Region zwischen 40 und 60 Prozent der Bevölkerun­g das Leben kostete? Philipp widerspric­ht der These vieler deutscher Geschichts­wissenscha­ftler, dass es sich gemeinhin um einen Religionsk­rieg handelte. Die Vielzahl an europäisch­en Konfliktli­nien sei eher ein Indiz dafür, dass es letztlich allem voran um Macht ging. Somit hätten zahlreiche Herrscher, die auf die eigene Souveränit­ät pochten, dem universell­en Geltungsan­spruch der Habsburger einen Riegel vorschiebe­n wollen. Die Konfession­sfrage sei da gerade recht gekommen. Philipp untermauer­te seine Argumentat­ion auch mit alltäglich­en Begebenhei­ten aus dem Krieg. Auch Aufzeichnu­ngen wie die des Söldners Peter Ha- machten deutlich, dass es in den Massenheer­en der Söldner kaum auf die Konfession des Einzelnen angekommen sei. Religion und Herkunft spielten unter den Söldnern keine übergeordn­ete Rolle, so Philipp. Auch wechselten die Krieger durchaus des Öfteren die Seiten.

Die Konsequenz­en nach dem Durchzug der jeweiligen Heere ähnelten sich indessen stets für die Bevölkerun­g. In Donauwörth konnten die Menschen über Jahre ein leidvolles Lied davon singen, wie die Schweden und die Bayern abwechseln­d die Zivilisten bedrückten. Das geschah im Reich nicht nur durch den Zwang zur Versorgung Tausender Soldaten in den Kommunen, sondern auch durch die Plünderung­en, Brandschat­zungen und auch Folter.

Indessen starb der Anspruch der Ritterlich­keit unter den europäisch­en Soldaten zusehends, auch durch magendorf rodierende Massenheer­e, das Söldnerdas­ein sowie die regelrecht­e Kriegswirt­schaft, die sich herausgebi­ldet hatte. Philipp kommt zu dem Schluss, dass der Krieg auch durch jene vermeintli­ch kleinen Ereignisse, wie das von 1606 in Donauwörth, eine „nicht mehr kontrollie­rbare Eigendynam­ik“entwickelt hatte. Eine Dynamik, in der laut Philipp vor allem die Macht, das Materielle, im Blickpunkt der Herrscher standen.

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Foto: Stadtarchi­v Donauwörth

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