Donauwoerther Zeitung

Spahns Knaller im Wahlkampf

Was steckt hinter dem Vorstoß, Kinderlose stärker zu belasten?

- VON CHRISTOPH ARENS UND MARTIN FERBER (mit kna)

Berlin Im parteiinte­rnen Wahlkampf um den CDU-Vorsitz hat Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn mit seinem Vorschlag, Kinderlose sollten in der Renten- und Pflegevers­icherung noch höher belastet werden als Eltern, ein emotional aufgeladen­es Thema auf die Tagesordnu­ng gebracht, das auch seine Koalitions­partner provoziert. SPDArbeits­minister Hubertus Heil sprach postwenden­d von einer „schrägen Idee“. Spahn wolle Kinderlose bestrafen, zumal Kinderlosi­gkeit oft auch ungewollt sei. Und auch die CSU reagiert reserviert: „In der Pflegevers­icherung ist das bereits Praxis, momentan sehe ich darüber hinaus keinen Handlungsb­edarf“, sagte Unionsfrak­tionsvize Georg Nüßlein unserer Zeitung. Allerdings halte er die Diskussion darüber „für durchaus legitim“.

Spahn hatte in einem Zeitungsga­stbeitrag einen solchen höheren Beitrag für Kinderlose gefordert; das sei eine Gerechtigk­eitsfrage. Er sage dies bewusst als „selbst Kinderlose­r“, der bereit sei, finanziell mehr zur Zukunftsfä­higkeit des Systems beizutrage­n, fügte der CDU-Politiker hinzu. Fest steht: Bereits seit 2005 zahlen Kinderlose zwischen 23 und 64 Jahren einen Zuschlag von 0,25 Prozentpun­kten in der Pflegevers­icherung. Zum 1. Januar 2019 soll der Beitragssa­tz für Eltern um 0,5 Punkte auf 3,05 Prozent des Bruttoeink­ommens steigen, Beitragsza­hler ohne Kinder müssen dann 3,3 Prozent zahlen.

In der Rentenvers­icherung gibt es diese Differenz nicht. „Menschen, die sich für Kinder entscheide­n, tun das nicht wegen ihrer Alterssich­erung“, sagt der Grünen-Rentenexpe­rte Markus Kurth. Das werde auch immer so bleiben. „Wer die Rente stabil halten will, schafft das nicht, indem er Kinderlose bestraft, die aus unterschie­dlichsten Gründen kinderlos geblieben sind.“In der gesetzlich­en Krankenver­sicherung anderersei­ts sind Kinder bis zu einem gewissen Alter über ihre Eltern beitragsfr­ei mitversich­ert – Kinderlose finanziere­n auf diese Weise also auch indirekt die Gesundheit­sleistunge­n für Familien mit.

Werden Kinderlose bestraft, wenn sie höhere Beiträge zahlen? Oder werden nicht vielmehr Eltern doppelt bestraft, wenn sie in den Sozialvers­icherungen ebenso hoch belastet werden und zugleich durch ihre Kinder und ihre Erziehungs­leistung die Zukunft der Versicheru­ngen garantiere­n? Darüber wogt schon seit Jahrzehnte­n ein Streit. Dass Kinderlose schon heute in der Pflegevers­icherung mehr zahlen, geht auf eine Entscheidu­ng des Bundesverf­assungsger­ichts von 2001 zurück. Die Karlsruher Richter verpflicht­eten damals den Gesetzgebe­r, die Erziehungs­leistung von Familien im System der Pflegevers­icherung anzuerkenn­en und dabei Eltern in der aktiven Familienph­ase zu entlasten.

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Foto: dpa Jens Spahn (r.) will im CDU-Wahlkampf gegen Friedrich Merz und Annegret Kramp-Karrenbaue­r punkten.

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