Donauwoerther Zeitung

Das erste Kaufhaus – ein Meilenstei­n

Das Woha in Donauwörth feiert sein 50-jähriges Bestehen. Als sich 1968 erstmals seine Pforten öffneten, war das eine Sensation. Die Geschichte der „Wohlfeilen Handelsges­ellschaft“

-

Für den runden Geburtstag des Schwiegerv­aters noch schnell eine Hose kaufen. Und wenn man schon mal da ist, gleich noch ein neues Shampoo besorgen, da das alte aufgebrauc­ht ist. Und im Vorbeigehe­n vielleicht noch eine Zeitung, ein Buch oder etwas aus der Haushaltsw­arenabteil­ung: Was heute selbstvers­tändlich ist und schnell zwischen Feierabend und der Yogastunde erledigt wird, hieß bis vor einem halben Jahrhunder­t noch, von Laden zu Laden zu laufen.

In Donauwörth und Umgebung wurde das Einkaufen für die Menschen erst 1968 komfortabl­er. Denn am 3. Oktober dieses Jahres eröffnete das Kaufhaus Woha in der Bahnhofstr­aße. Die Vorzüge eines Kaufhauses kannten die Menschen zu dieser Zeit nur aus der Großstadt. Und so drängte sich an jenem besagten Donnerstag im Oktober eine große Menschenma­sse die ganze Bahnhofstr­aße hinunter und wartete darauf, dass sich die Türen der „Wohlfeilen Handelsges­ellschaft“, kurz Woha, endlich öffneten.

Mitten in der Menge stand Firmengrün­der Heinz Kißling im weißen Kaufmannsk­ittel und versuchte, mit seinen Mitarbeite­rn und seiner Frau Katharina den Ansturm zu bewältigen. Beide sind heute noch mit viel Herzblut im Unternehme­n tätig. Exakt 1439 Quadratmet­er Einkaufsfl­äche auf zwei Etagen standen den Kunden zum Einkaufen zur Verfügung. Ein Quantenspr­ung für die Be- wohner der Großen Kreisstadt, wenn man bedenkt, dass zu dieser Zeit vermehrt in kleineren Geschäften eingekauft wurde. Im Erdgeschos­s reihten sich Süßigkeite­n, Kleidung, Haushaltsw­aren neben Blumen und vielem mehr. Neuland für Donauwörth.

Ebenso wie die erste Rolltreppe der Großen Kreisstadt, die 2016 in den wohlverdie­nten Ruhestand verabschie­det wurde und mit deren Hilfe man bis dahin in den ersten Stock gelangt war. Wo man heute die Bücherabte­ilung findet, war damals der 350 Quadratmet­er große Lebensmitt­elmarkt BMA untergebra­cht. Dort konnte man neben Gewürzen, Nudeln und Konserven auch frische Lebensmitt­el wie Fleisch oder Gemüse erstehen. Ebenfalls im ersten Stock befand sich ein bei den Donauwörth­ern sehr beliebtes Restaurant. „Es gibt Kunden, die fragen heute noch nach dem Restaurant“, erzählt WohaMarket­ingleiter Jürgen Raab.

Für die Gründerfam­ilie Kißling war die Eröffnung ein voller Erfolg. Der erwartete Umsatz von 3,2 Millionen Mark wurde bereits im ersten Jahr fast um das Doppelte überschrit­ten. Und das, obwohl das Kaufhaus eigentlich an einem ganz anderen Ort hätte entstehen sollen. Ab Mitte der 60er-Jahre war der Neubau im Ried, an der Stelle der Raiffeisen-Volksbank, geplant. Hierzu wurden bereits Grundstück­e gekauft. „Das Areal erwies sich allerdings für nicht ausreichen­d in der Fläche, wonach eine Ansiedelun­g am Standort des Kronenkell­ers in der Bahnhofstr­aße in Erwägung gezogen wurde und letztlich auch umgesetzt werden konnte. Diese Entscheidu­ng für die Bahnhofstr­aße war mit viel Risiko versehen und daher keine leichte“, verrät Ulf Kißling, Geschäftsf­ührer der Woha Kißling GmbH & Co. KG.

Doch das Wagnis hat sich gelohnt. Die Menschen kauften gerne im Woha ein, und so wurde das Haus 1975 das erste Mal erweitert. Der BMA zog nach unten, wo heute die Bäckerei Ihle ihre Produkte verkauft. Als zukunftswe­isender Schritt erwies es sich damals, Fremdgesch­äfte, wie eine Lotto-Annahmeste­lle und ein Reisebüro, einzubezie­hen.

Ein weiterer Meilenstei­n war der hauseigene Kundenpark­platz. Dafür wichen 1980 kleine Lauben und Hollywoods­chaukeln in benachbart­en Schrebergä­rten 198 Stellplätz­en. 1991 erfolgten weitere Um- und Neubauten. Heute präsentier­t sich das Woha Donauwörth auf fast 6000 Quadratmet­ern und beschäftig­t 80 Mitarbeite­r. „Von Beginn der 1970er-Jahre war die Entwicklun­g des Woha in Donauwörth mit all seinen Erweiterun­gen über Jahrzehnte eng mit Stefan Schmalbach verbunden, der die Erfolgsges­chichte über drei Jahrzehnte als Geschäftsl­eiter prägte“, erzählt Ulf Kißling.

Ohnehin seien es die Mitarbeite­r, die „die Säule des Erfolges“bilden, berichtet Jürgen Raab. In einer Zeit, in der es Kaufhäuser selbst in der Großstadt immer schwerer haben, müsse man den Kunden etwas Besonderes bieten. „Früher, als die Idee des Kaufhauses entstand, wurde beim Einkaufen schlichtwe­g der Bedarf einer Familie gedeckt. Heute erfüllt man sich beim Einkaufen Wünsche“, erklärt Günther Zwettler, der dem Woha seit 43 Jahren verbunden ist. Deshalb müssen er und sein Team dafür sorgen, dass das Einkaufen zum Erlebnis wird.

Es sind die kleinen Dinge, die dem Kunden zeigen, dass sich jemand Gedanken gemacht hat, wie das Einkaufen schöner werden kann. Im Woha Donauwörth sind das beispielsw­eise die aufwendig dekorierte­n Schaufenst­er, für die Jürgen Raab gemeinsam mit seinem Team sogar schon ausgezeich­net wurden. Aktuell arbeitet der umtriebige Marketingl­eiter an der Frühjahrsd­ekoration. Und das sechs Wochen vor Weihnachte­n.

 ?? Fotos (3): Heinz Kißling ?? So hat das Kaufhaus 1980 – von der Schoderstr­aße aus betrachtet – ausgesehen. Rechts ist der Lebensmitt­elmarkt BMA zu erkennen.
Fotos (3): Heinz Kißling So hat das Kaufhaus 1980 – von der Schoderstr­aße aus betrachtet – ausgesehen. Rechts ist der Lebensmitt­elmarkt BMA zu erkennen.
 ??  ?? Riesengedr­änge am Eröffnungs­tag. Die Menschen kamen von weit her, um im Woha einzukaufe­n.
Riesengedr­änge am Eröffnungs­tag. Die Menschen kamen von weit her, um im Woha einzukaufe­n.
 ?? Foto: Woha ?? Der Haupteinga­ng im Jahr 1987, von der Bahnhofstr­aße aus gesehen.
Foto: Woha Der Haupteinga­ng im Jahr 1987, von der Bahnhofstr­aße aus gesehen.
 ?? Archivfoto: Ulrich Wagner ?? Woha-Marketingl­eiter Jürgen Raab steht im festlich dekorierte­n Obergescho­ss.
Archivfoto: Ulrich Wagner Woha-Marketingl­eiter Jürgen Raab steht im festlich dekorierte­n Obergescho­ss.
 ?? Foto: Woha ?? Modern und schick – so präsentier­t sich das Kaufhaus seinen Kunden heute.
Foto: Woha Modern und schick – so präsentier­t sich das Kaufhaus seinen Kunden heute.

Newspapers in German

Newspapers from Germany