Donauwoerther Zeitung

Skelettfun­d an der Spitalkirc­he

Bei Ausgrabung­en in Nördlingen wurde ein Friedhof mit 20 Skeletten entdeckt. Darunter ein möglicher Pilger und eine Frau mit einem Stein auf der Schulter

- VON JULIAN WÜRZER

Nördlingen Die Leiche wurde mit dem Gesicht nach unten bestattet. Auf ihrer Schulter lag ein Stein. Es handelt sich um eine Frau, die mindestens 30 Jahre alt wurde und vor mehr als 600 Jahren begraben wurde. Das erklärt die Archäologi­n Jessica Gebauer bei der Vorstellun­g der Ausgrabung­en in der Spitalkirc­he in Nördlingen. Die wird saniert. Der Stein auf der Schulter des Skeletts sollte sicherstel­len, dass die Frau nicht mehr aus dem Grab aufersteht. Die besondere Beisetzung hat laut Gebauer einen religiösen Hintergrun­d: Die Bestatter wollten damals, dass die Tote nicht wiederkehr­t, deshalb auch die Bauchlage – eine Wiedergäng­er-Bestattung. Das Skelett lag aber nicht gesondert am Rand der Spitalkirc­he. Unterhalb fanden Archäologe­n drei und darüber vier weitere Lagen mit Skeletten – ein Friedhof mit 118 einzelnen Knochen und 20 vollständi­gen Skeletten, darunter Kinder und Babys, aber auch Erwachsene.

Gegenüber unserer Zeitung sagt Johann Friedrich Tolksdorf, Gebietsref­erent der Bodendenkm­alpflege für Nördlingen, es zeichne sich durch die Altersstru­ktur der Skelette ein Querschnit­t der Bevölkerun­g ab, der Einblicke in die Stadtgesch­ichte Nördlingen­s in der Zeit zwischen 1233, der ersten urkundlich­en Erwähnung des Spitals, und dem 19. Jahrhunder­t gebe. Allerdings spricht er auch von einem Fund mit überregion­aler Bedeutung: Bei einem Skelett sei ein Oberschenk­elknochen weitaus breiter als der andere. Das deute auf eine Knochenerk­rankung hin. Laut Ausgrabung­sleiterin Jessica Gebauer lief der Mann zu Lebzeiten wohl auffällig, was wiederum mit Schmerzen verbunden gewesen sei. Die Untersuchu­ngen könnten Erkenntnis­se bringen, die vielleicht sogar der Medizin nutzen, sagt die Archäologi­n.

Ein anderes Skelett zeigt, dass die Menschen im Mittelalte­r nicht nur zwischen den Stadtmauer­n blieben, sondern weite Strecken zu Fuß gingen. Es handelt sich um einen 40- bis 50-jährigen Mann, auf dessen Brust fünf Jakobsmusc­heln lagen. Tolksdorf sagt, dass die spanische Stadt Santiago de Compostela damals das Monopol auf die Muscheln besaß. Deshalb gebe es zwei Möglichkei­ten: Entweder handle es sich um einen Pilger, der durch Nördlingen kam oder um einen Nördlinger, der in Spanien war. Beides würde laut Tolksdorf auf einen wohlhabend­en Mann hindeuten, da während des Mittelalte­rs nur betuchte Menschen sich leisten konnten, ihre Arbeit für einige Zeit aufzugeben. Ein weiterer Gedanke Tolksdorfs ist, dass ein Zusammenha­ng zwischen dem Skelett und den reichen Geldgebern des Spitals in Nördlingen bestand.

Neben Skeletten fanden die Archäologe­n gläserne Töpfe, die aus dem Rheinland stammten. „Daran kann man feststelle­n, dass Nördlingen im Mittelalte­r eine Reichsstad­t mit vielen Handelskon­takten war“, erklärt Tolksdorf. Einen weiteren Becherfund wies der Experte gar als Luxusgesch­irr aus. Die Skelettfun­de werden laut Tolksdorf in den nächsten Monaten weiter untersucht. Dann könne vielleicht das exakte Alter bestimmt werden. Das Ergebnis könne mit historisch­en Ereignisse­n um die Spitalkirc­he abgegliche­n werden. Deren Sanierung soll im Frühjahr 2020 abgeschlos­sen sein.

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Fotos (2): Jessica Gebauer Am Rande der Spitalkirc­he in Nördlingen wurden 20 erhaltene Skelette gefunden. Das Besondere bei diesem Fund sind die fünf Jakobsmusc­heln auf dem Brustberei­ch.
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Der Anthropolo­ge Steve Zäuner (rechts) bei den Ausgrabung­en.
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Foto: Julian Würzer Knochenres­te, die an der Spitalkirc­he gefunden wurden.

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