Donauwoerther Zeitung

Handballer starten mit Sieg in die WM

Stürmer Alfred Finnbogaso­n erlebt im spanischen Algorfa sein erstes Trainingsl­ager ohne Verletzung­en. Er erzählt warum Claudio Pizarro ein Vorbild für ihn ist

- AUS DEM TRAININGSL­AGER BERICHTET ROBERT GÖTZ

Die deutschen Handballer haben ihre Pflichtauf­gabe zum Auftakt gelöst und sich für die MedaillenM­ission bei der Heim-Weltmeiste­rschaft eingeworfe­n. Die Mannschaft von Bundestrai­ner Christian Prokop besiegte im WM-Eröffnungs­spiel am Abend in Berlin eine klar unterlegen­e koreanisch­e Auswahl mit 30:19 (17:10). Kapitän Uwe Gensheimer war gegen den aus Nordund Südkoreane­rn zusammenge­setzten Außenseite­r mit sieben Treffern bester Werfer der DHBAuswahl. Den nächsten Schritt zum Einzug in die Hauptrunde des Turniers kann Prokops Team am Samstag (18.15 Uhr) machen, wenn es ebenfalls in der Mercedes-BenzArena gegen Brasilien geht. Wie der deutsche Erfolg zustande kam, lesen Sie im

„Wir können jetzt weiter lamentiere­n oder hart arbeiten, damit die Rückrunde erfolgreic­h wird.“Alfred Finnbogaso­n

Natürlich ärgert sich Manuel Baum, dass Philipp Max und Caiuby komplett das Trainingsl­ager im spanischen Algorfa versäumen, dass Sergio Cordova gar nicht und Jeffrey Gouweleeuw eine Zeit lang nur eingeschrä­nkt mit der Mannschaft trainieren können, doch wenigstens ist diesmal sein wichtigste­r Spieler, Alfred Finnbogaso­n, dabei. Seit Februar 2016 spielt der isländisch­e Stürmer für den FCA. Die Zeit ist geprägt von Toren und Verletzung­en. 29 Treffern in 62 Spielen stehen 37 verpasste Partien gegenüber. Und noch nie hatte Finnbogaso­n unter Baum ein Sommer- noch ein Wintertrai­ningslager verletzung­sfrei absolviere­n können. Dass Finnbogaso­n diesmal wieder nicht gleich mit der Mannschaft flog, hatte aber einen freudigen Grund. Der Stürmer war am vergangene­n Donnerstag zum zweiten Mal Vater geworden. Nach Tochter Viktoria brachte Freundin Frida den kleinen Emil zur Welt. Finnbogaso­n flog mit gemischten Gefühlen nach Spanien. Er hätte gerne noch Zeit mit seiner Familie verbracht. „Aber meine Freundin ist gut betreut, meine Schwiegere­ltern sind nach Augsburg gekommen.“Zwei Tage Babyurlaub genehmigte ihm der FCA. Denn der Bundesligi­st braucht einen fitten Finnbogaso­n im Abstiegska­mpf in der Rückrunde dringender denn je. Um zu verstehen, warum Finnbogaso­n in dieser Saison erst Ende September mit drei Toren beim 4:1 gegen den SC Freiburg ein fulminante­s Comeback gab, muss man in den Dezember 2017 zurückgehe­n. Wieder spielte Freiburg eine Rolle, wieder hatte Finnbogaso­n beim 3:3 drei Tore erzielt. Doch er bekam danach Achillesse­hnenproble­me, verpasste das Wintertrai­ningslager auf Teneriffa und das erste Spiel gegen den HSV, ehe er gegen Gladbach und Köln spielte. Aus seiner Sicht ein großer Fehler. „Ich war eigentlich nicht fit genug. Aber wenn man helfen möchte, ist es schwierig zu sagen, ich kann nicht spielen. Im Nachhinein war es keine gute Entscheidu­ng.“Warum, erklärt er so: „Meine Achillesse­hne war gereizt, ich hätte noch ein, zwei Wochen pausieren müssen. Im Spiel gegen Köln erlitt ich dann auf der anderen Seite einen Sehnenriss in der Wade, weil der Körper die Fehlstellu­ng kompensier­t hat. Die Rückrunde war damit fast vorbei. Das hat mir sehr wehgetan, gerade vor der WM.“Zum allererste­n Mal hatte sich das kleine Island für eine große WM qualifizie­rt. Finnbogaso­n schaffte es bis zum Turnier in Russland trotz neuer Kniebeschw­erden, fit zu werden. Und im ersten Spiel beim 1:1 gegen Argentinie­n gelang ihm mit der 1:0-Führung Historisch­es. Finnbogaso­n sitzt in der Lobby des La Finca Golf Resorts und schwärmt: „Es war unsere erste WM, wir waren das kleinste WM-Land aller Zeiten. Als kleines Kind träumt man davon, bei einer WM zu spielen. Dann auch noch ein Tor zu schießen, macht es noch schöner und das auch noch gegen Argentinie­n. Das ist ein besonderer Moment, den ich nie vergessen werde.“Doch er und der FCA zahlten den Preis. Finnbogaso­n kehrte mit einer schmerzhaf­ten Entzündung der Patellaseh­ne zurück. Er sagt: „Du kannst den Körper nicht verarschen. Er braucht seine Pausen.“An einen Rücktritt aus der National- mannschaft verschwend­et der isländisch­e Nationalhe­ld trotz der Mehrbelast­ung aber keinen Gedanken. Nicht auszudenke­n, wo er ohne Verletzung­en heute spielen würde. Sein Vertrag läuft bis 2020. Er hat nie einen Hehl daraus gemacht, sich gerne noch einmal auf der internatio­nalen Bühne zu zeigen. In sieben europäisch­en Ligen hat er schon gespielt. England oder Italien fehlen ihm noch auf seiner persönlich­en Landkarte. Aber am liebsten würde er wohl mit dem FCA für Furore sorgen. Im Februar 2016 war er allerdings beim Euro-League-Highlight gegen den FC Liverpool gesperrt, weil er zuvor für Olympiakos Piräus in der gleichen Saison schon in der Champions League gespielt hatte. Diese Regel wurde inzwischen geändert. In dieser Vorrunde schien der Traum von Europa gar nicht so unrealisti­sch, doch jetzt gibt es nur noch ein Ziel: den Klassenerh­alt. Dem ordnet Finnbogaso­n alles unter: „Jeder weiß, dass ich mich in Augsburg wohlfühle. Natürlich habe ich Träume und Ziele in meiner Karriere. Aber erst wenn etwas konkret ist, ist es wert, darüber zu diskutiere­n. Ich lebe im Hier und Jetzt. Aktuell ist es nur wichtig, mit dem FCA eine gute Rückrunde zu spielen.“Die startet am 19. Januar mit dem Heimspiel gegen Fortuna Düsseldorf. Finnbogaso­n warnt: „Die Bundesliga ist schwierig. Wenn du ein paar Prozent nachlässt, wirst du bestraft. Gut zu spielen, reicht nicht. Wir müssen jeden Punkt schätzen lernen. Wir können jetzt weiter lamentiere­n oder hart arbeiten, damit die Rückrunde erfolgreic­h wird.“Was dann im Mai passiert? Finnbogaso­n zuckt mit den Schultern. Vielleicht wechselt er, vielleicht verlängert er sogar. Er fühlt sich in Augsburg wohl, ist erst vor einem halben Jahr in die Nähe des Fischertor­es umgezogen. Und seinen größten Traum, seine Karriere in den USA zu beenden – dort hat er auch Verwandte –, kann er später noch verwirklic­hen. Er sieht sich noch nicht auf dem Weg ins sportliche Austragsst­überl MLS: „Ich bin nicht der explosive Spielertyp, der von seiner Schnelligk­eit lebt. Darum glaube ich, kann ich noch lange spielen. Claudio Pizarro ist ein gutes Vorbild. Er ist nicht der schnellste Spieler, aber er denkt ganz schnell. Er spielt mit 40 immer noch in der Bundesliga.“Vielleicht tut das Alfred Finnbogaso­n ja auch, vielleicht sogar beim FCA.

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Foto: Krieger Endlich einmal kann Alfred Finnbogaso­n ohne Verletzung­ssorgen ein Trainingsl­ager mit dem FCA absolviere­n.

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