Schlag mit Stein im Ankerzentrum
Prozess Weil er einen Wachmann verletzt hat, steht ein Asylbewerber vor Gericht. Sein Geständnis mildert die Strafe
Augsburg/Donauwörth Fast sechs Monate saß der Angeklagte bis zur Hauptverhandlung in U-Haft, dann bekam er seine Freiheit zurück. Zwar hat das Augsburger Amtsgericht den Asylbewerber aus Gambia wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt, die einjährige Haftstrafe aber zur Bewährung ausgesetzt. Der 24-Jährige hatte im August im Donauwörther Ankerzentrum einen Wachmann mit einem Stein verletzt, nachdem er zuvor die Tür zu seinem Zimmer zertrümmert hatte.
Die ganze Nacht habe er mit Freunden in der Stadt verbracht, Alkohol getrunken und „etwas“Marihuana geraucht, so der Angeklagte vor Gericht. Gegen 7 Uhr morgens tauchte er in der Unterkunft auf, um sich schlafen zu legen. Aber er fand seine Zimmertür verschlossen vor – wie sich zeigte, eine Maßnahme des Sozialdienstes, weil der Gambier offenbar wiederholt unerlaubt Besucher bei sich beherbergt hatte. Am Hauseingang schickte ihn der Sozialdienst, der den Schlüssel hatte, weg, weil gerade die Morgenbesprechung lief.
Empört und gereizt griff sich der Angeklagte zwei Steinbrocken im Hof. Er begann, die Tür zu seinem Zimmer zu zertrümmern, hieß es in der Anklageschrift. Andere Mitbewohner wurden wach, der Sicherheitsdienst erschien mit vier Mann. Einem der Mitarbeiter gelang es, den Randalierer zu „entwaffnen“.
Bis hier reicht das Geständnis des Angeklagten, der aber anschließend niemandem etwas angetan haben will. Die Zeugenaussage des 43-jährigen Wachmanns geht hingegen weiter. Der Angeklagte habe sich nämlich losreißen und aus dem Gebäude flüchten können.
Die Sicherheitsmitarbeiter hefteten sich an seine Fersen, auch die bereits eingetroffene Polizei nahm die Verfolgung auf. Am Eingang zum Nachbargebäude ergriff der 43-jährige Sicherheitsmann aus Serbien den Angeklagten. Der hatte sich im Hof bereits wieder mit zwei Steinbrocken „bewaffnet“und schlug nach dem Kopf des Wachmanns. Wohl nur, weil der sich reflexartig wegdrehte, bekam er den Stein lediglich auf den Rücken und wurde nur leicht verletzt.
Dass das doch sehr glaubwürdig klinge, was der Wachmann aussage, stellte Richterin Susanne Scheiwiller in Richtung des Angeklagten und dessen Verteidigerin fest. Und sie lieferte quasi die Reißleine mit: Sie könne sich nicht vorstellen, dass eine (teure) mehrtägige Hauptverhandlung mit zahlreichen weiteren Wachleuten und Polizeibeamten als Zeugen und mit einem Gutachter wesentliche Tatumstände deutlich anders erscheinen lassen würde. Ohne umfassendes Geständnis sei von einer Fortdauer der Haft auszugehen. Dann bat die Richterin Staatsanwalt Markus Eberhard und Verteidigerin Juliane Kirchner zum „verfahrensvereinfachenden Gespräch“ins Richterzimmer – mit Erfolg.
Der Beschuldigte gestand die ihm zur Last gelegten Taten. Gemäß seinem Teil der Absprache forderte Staatsanwalt Eberhard eine Haftstrafe von einem Jahr für den Angeklagten, die zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Zudem solle er 120 Stunden Hilfsdienste leisten. Der Haftbefehl könne aufgehoben werden. Verteidigerin Kirchner sah in ihrem Plädoyer die Strafe ihres Mandanten durch die fast sechsmonatige Untersuchungshaft als ausreichend gesühnt an. Sie forderte eine zehnmonatige Freiheitsstrafe auf Bewährung, allerdings ohne weitere Auflagen. Sie erklärte die Tat durch die Beeinträchtigung ihres Mandanten mit Alkohol und Drogen – und durch die unerwartete Maßnahme des Sozialdienstes.
Richterin Susanne Scheiwiller ließ diese Erklärung gelten. Sie mahnte den Angeklagten aber auch: „Sie sind Gast in unserem Land, und Sie haben sich an unsere Rechtsordnung zu halten. Wenn Sie dagegen verstoßen, erwarten die Bürger, dass Sie dafür bestraft werden.“
Sie folgte der Forderung des Staatsanwaltes und verurteilte den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr. Da er noch nicht mit der deutschen Justiz in Konflikt gekommen sei, könne die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden. „Um dem Leben des Angeklagten Struktur zu verleihen“, legte die Richterin als eine der Bewährungsauflagen das Ableisten von 120 Stunden Hilfsdienst fest. Der Haftbefehl wurde aufgehoben, der Angeklagte bekam eine Fahrkarte nach Gablingen, um sich seine Habseligkeiten aus dem Gefängnis abzuholen und seiner Wege zu gehen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.