Einsam, zweisam, mehrsam
Ratgeber Das beste Futter, die kuscheligste Einstreu, der größte Auslauf: Wenn ein Haustier einzieht, wird über vieles nachgedacht – aber meist nicht über den wichtigsten Aspekt
Wenn Kinder sich nichts sehnlicher wünschen als ein Haustier, stehen Meerschweinchen, Kaninchen und Hamster ganz oben auf der Hitliste. Sie sind gewissermaßen die Einsteigermodelle für Unerfahrene. Die wichtigsten Fragen, die beim Einkauf in der Zoohandlung geklärt werden, drehen sich um die Käfiggröße, um das richtige Futter, um saugfähige und unschädliche Einstreu und darum, wie oft der Stall ausgemistet werden muss. Keine Frage, dies sind lauter wichtige Aspekte für die Tierhaltung. Aber wer denkt schon daran, dass jede Tierart ganz spezielle Ansprüche an ihr soziales Umfeld hat? Erst wer die erfüllt, erreicht die Meisterklasse der Heimtierhaltung.
Um ein Gefühl für die sozialen Bedürfnisse eines Haustiers zu bekommen, kann ein Blick auf dessen wilde Artgenossen hilfreich sein. Wo ein Wildkaninchen hoppelt, ist in der Regel ein zweites nicht fern, Kaninchen lieben es gesellig und leben in Gruppen zusammen. Für die Haltung als Haustier bedeutet das: Ein Kaninchen in Einzelhaltung wird massiv unter seiner Einsamkeit leiden. Das kann sich un- terschiedlich auswirken: Es vegetiert gelangweilt vor sich hin, reagiert kaum noch auf seine Umgebung, verletzt sich selbst oder wird sogar aggressiv und beißwütig gegenüber Menschen. Wer sich also für ein Kaninchen als Haustier entscheidet, sollte mindestens zwei nehmen.
Gleiches gilt für Meerschweinchen. Sie sind auf das Zusammenleben mit Artgenossen angewiesen. Die wilden Exemplare in Südamerika leben stets in Gruppen von etwa 20 Tieren beisammen. Oft gibt es Streit untereinander, aber ohne diesen Zoff ist ein Meerschweinchen nicht glücklich. Zwei zu halten ist das Minimum. Noch besser: drei bis fünf.
Ganz anders ist die Sache bei den Hamstern. Für sie ist es eine Qual, sich den Käfig teilen zu müssen. Kämpfe untereinander können so heftig ablaufen, dass sie tödlich enden. Aber auch ohne blutige Attacken, das haben Studien gezeigt, stirbt bei zu zweit gehaltenen Hamstern der Schwächere viel früher als üblich, weil ihn der Dauerstress krank macht. Bei den wilden, selten gewordenen Feldhamstern lebt jeder in einem eigenen Bau und verteidigt diesen gegen Artgenossen. Wer sich also für einen Hamster als Haustier entscheidet, sollte sich um abwechslungsreiche Beschäftigungsmöglichkeiten für das Tier kümmern, aber ihm keinesfalls einen Kollegen in den Käfig setzen.
Um unerwünschten Nachwuchs zu verhindern, hörte man früher häufig die Empfehlung, ein Kaninchen und ein Meerschweinchen – beide sehr soziale Tiere – gemeinsam zu halten. Heute weiß man: Kaninchen und Meerschweinchen können miteinander überhaupt nichts anfangen, sie fühlen sich weiter einsam. In vielen Fällen wird das körperlich unterlegene Meerschweinchen heftig angegriffen.
Nebenbei: Das wohl einzige Tier, das in seiner Wildform streng im Rudel lebt, in der domestizierten Variante auch ohne Artgenossen auskommt, ist der Hund. Das Rudel selbst ist ihm trotzdem geblieben – nur die Mitglieder haben sich etwas verändert.
Tanja Warter ist Tierärztin. Seit zehn Jahren verknüpft sie die Leidenschaft für die Tiermedizin mit dem Spaß am Schreiben.