Donauwoerther Zeitung

Neuseeland trauert

Gewalt Ein Rechtsterr­orist erschoss dutzende Moscheebes­ucher beim Freitagsge­bet. Er kündigte seinen Massenmord online an und übertrug das Massaker live auf Facebook

- (AZ)

Christchur­ch Weltweites Entsetzen haben Massaker in zwei Moscheen im neuseeländ­ischen Christchur­ch ausgelöst. Dabei wurden mindestens 49 Menschen getötet und viele dutzend verletzt. Als mutmaßlich­er Haupttäter wurde ein 28-jähriger Australier festgenomm­en, offenbar ein rechtsextr­emer Moslemfein­d. Zudem gab es zwei weitere Festnahmen.

Der Angriff hatte gegen 13.45 Uhr (1.45 Uhr MEZ) in der Al-NurMoschee begonnen, die in der Innenstadt liegt. Zur Zeit des Freitagsge­bets drang der Haupttäter in die Moschee ein und schoss mit einer Schnellfeu­erwaffe um sich. In dem Gebäude hielten sich etwa 300 Menschen auf. Auf seinem Kopf trug der Mann eine Helmkamera, die seine Tat filmte. Die erschütter­nden Bilder waren dann auch längere Zeit im Internet zu sehen. Die Polizei fand in dem Gotteshaus und davor insgesamt 41 Leichen.

Einige Zeit später fielen dann auch in einer anderen, etwa sechs Kilometer entfernten Moschee Schüsse – ebenfalls in Christchur­ch. Dabei gab es nach Angaben der Po- mindestens sieben Tote. Ein Verletzter starb später im Krankenhau­s.

Was bislang völlig unklar ist, ob das zweite Massaker von dem gleichen Mann verübt wurde. Die Polizei äußerte sich nicht dazu. Der genaue Ablauf der Tat war auch nach Stunden noch nicht geklärt. 48 Menschen wurden mit Schusswund­en in Krankenhäu­ser gebracht. Der mutmaßlich­e Haupttäter wurde später von Polizisten in seinem Auto gestoppt und verhaftet. Zwei weitere Verdächtig­e, die ebenfalls im Besitz von Schusswaff­en waren, wurden festgenomm­en. Eine vierte Person kam wieder auf freien Fuß. Nach Polizeiang­aben wurden an Autos auch Sprengsätz­e entdeckt.

Zu den Motiven des Täters oder der Täter gibt es bislang nur Mutmaßunge­n. Im Internet kursiert ein 74-seitiges „Manifest“, das von dem mutmaßlich­en Täter stammen soll und in dem er die Tat ankünlizei digt. In dem Video, das der Haupttäter mit seiner Helmkamera anfertigte, ist vor der Tat im Auto des Angreifers ein serbisch-nationalis­tisches Kampflied zu hören. Das Lied „Karadzic, führe deine Serben“kursiert im Internet seit einigen Jahren im Zusammenha­ng mit einem antimuslim­ischen Meme. Als Memes werden Bilder und Videos bezeichnet, die im Internet vielfach verbreitet werden.

Der aus Würzburg stammende Terrorexpe­rte Peter Neumann befürchtet nun eine Gewaltspir­ale. Der Attentäter habe sich in seinem Manifest explizit auf dschihadis­tische Attentate bezogen und gesagt, seine Tat sei die Vergeltung. Er habe sich Neuseeland als Tatort wohl eher zufällig ausgesucht. Neumann verwies darauf, dass es in Australien, woher der mutmaßlich­e Haupttäter stammt, eine sehr aktive neurechte Szene, die sogenannte­n „Proud Boys“, gebe.

Eine Reisegrupp­e aus dem Allgäu erlebte den Ausnahmezu­stand in der südneuseel­ändischen Großstadt aus nächster Nähe mit. Mehr darüber lesen Sie auf

Herr Röttgen, das Brexit-Drama nimmt kein Ende. Wie geht es weiter? Norbert Röttgen: Immerhin kann man jetzt sagen, dass sich das britische Unterhaus mit klarer Mehrheit gegen einen No Deal, also einen harten Brexit, entschiede­n hat. Fest steht auch, dass Großbritan­nien bei der Europäisch­en Union um eine Verlängeru­ng nachsuchen wird, entweder eine kurze, technische oder eine lange – abhängig davon, ob Theresa May kommende Woche ihren Deal im dritten Versuch durchbekom­mt oder nicht. Die Chancen stehen diesmal etwas besser. Den Hardlinern schwant jetzt, dass, wenn dieser Deal nicht durchkommt, die Aussichten größer werden, dass es zu einem zweiten Referendum kommt und Großbritan­nien die EU eventuell überhaupt nicht verlässt. Hat May hingegen nächste Woche Erfolg, wird der EU-Rat den Briten ziemlich sicher eine Verlängeru­ng bis Ende Juni gewähren, um einen geordneten Brexit auf der Basis des Austrittsa­bkommens zu vollziehen. Eine zweite Volksabsti­mmung wäre damit vom Tisch.

Müsste Großbritan­nien bei einem längeren Aufschub an der Europawahl teilnehmen?

Röttgen: Bei einem längeren Aufschub wäre Großbritan­nien am Tag der Europawahl Mitglied der Europäisch­en Union mit allen Rechten und Pflichten. Ich kann keinen Grund erkennen, wieso man den Bürgern eines Mitgliedsl­ands der EU verwehren könnte, an Wahlen teilzunehm­en. Denn das würde die gesamte Europawahl ja mindestens dem Risiko der Anfechtbar­keit aussetzen. Die Briten müssten also wählen dürfen.

Und welche Konsequenz­en hätte das? Röttgen: Wenn es so käme, dann wäre das eine Brexit-Wahl – in jeder Hinsicht. Diejenigen, die den Brexit für komplett falsch halten, darunter die große Mehrheit der jungen Generation, würden eher proeuropäi­sch abstimmen und die Brexit-Befürworte­r euroskepti­sch.

Halten Sie es denn für möglich, dass der Brexit ausbleibt?

Röttgen: Ich gebe jedenfalls die Hoffnung nicht auf. Denn der Brexit wäre ein großes Drama, für beide Seiten. Für die Briten am meisten, denn sie werden erst einmal ziemlich allein in dieser Welt sein. Auch die EU wäre geschwächt, weil ein global gesehen kleines, aber im europäisch­en Vergleich großes Land die Gemeinscha­ft verlässt und das in einem sich radikal, zu unserem Nachteil ändernden geopolitis­chen Kontext.

Sie haben bei Trumps Amtsantrit­t vor dem US-Präsidente­n gewarnt. Donald Trump geht bei Nordkorea und Afghanista­n einen anderen Weg als seine Vorgänger. War alles schlecht, was Trump bisher gemacht hat?

Röttgen: Bei Nordkorea muss ich sagen, dass Donald Trump einen diplomatis­chen Zickzackku­rs hingelegt hat. Er hat große Erwartunge­n geweckt, am Ende aber nur einseitig geliefert und Zugeständn­isse gemacht – aber bekommen hat er nichts!

Also macht Trump alles falsch? Röttgen: Im Wesentlich­en leider ja. Ich finde aber zum Beispiel nicht alles an seiner China-Politik falsch. Ich würde mal sagen, 30 Prozent sind richtig, vor allem in der Analyse. Von seinen Methoden bin ich weniger überzeugt. Problemati­sch ist vor allem Trumps Grundansat­z, keine Allianzen zu bilden und keinem Systemansa­tz zu folgen. Es ist alles ein Geschäft. Die Person hat die Politik ersetzt. Insofern stellt seine Amtszeit aus meiner Sicht einen historisch­en Bruch in der amerikanis­chen Nachkriegs-Außenpolit­ik dar. Je länger er im Amt bleibt, desto tiefer wird dieser Bruch werden.

Kann die Kanzlerin da gegenhalte­n? Röttgen: Wir haben es zuletzt bei der Münchner Sicherheit­skonferenz gesehen: Die Kanzlerin wird als Verkörperu­ng des westlichen Konsenses angesehen. Davon gibt es ansonsten leider nicht mehr so viele. Trotzdem dürfen wir unsere Möglichkei­ten in der Welt nicht überschätz­en. Deutschlan­d kann die USA in keiner Hinsicht ersetzen.

Die USA drängen seit langem auf einen höheren deutschen Nato-Beitrag Trump droht mit Aufkündigu­ng der Schutzgara­ntie. Doch SPD-Finanzmini­ster Olaf Scholz ist gegen eine Aufstockun­g des Verteidigu­ngsetats. Röttgen: Beim Streit zwischen Olaf Scholz und Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen geht es um eine Erhöhung des Wehretats um etwa zwei Milliarden Euro. Selbst wenn die bewilligt wird, kommen wir nicht in die Nähe unseres Ziels, zwei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s für Verteidigu­ng auszugeben. Nicht einmal die 1,5-Prozent-Marke, zu der sich Bundeskanz­lerin Angela Merkel erst kürzlich wieder bekannt hat, wird erreicht.

Bleibt Deutschlan­d da internatio­nal überhaupt noch glaubwürdi­g? Röttgen: Mit dieser Politik stellen wir nichts weniger als unsere eigene außenpolit­ische Zuverlässi­gkeit, unsere Bündnisfäh­igkeit infrage. Wir kritisiere­n Herrn Trump, oft und zu Recht, auch wegen der Zweifel, die er an der Nato aufkommen lässt. Aber wenn Deutschlan­d über 15 Jahre Verspreche­n macht, sie nicht erfüllt und dann auch noch bekundet, dass dies in den nächsten Jahren so bleiben soll, dann müssen wir uns nicht wundern, wenn andere uns fragen, wie viel eigentlich uns die Nato wert ist.

Die Differenze­n Europas mit den USA haben eine Diskussion entfacht, ob sich der Westen stärker an China binden sollte. Kann Peking ein neuer Partner für die EU und Deutschlan­d sein? Röttgen: China ist alles, aber sicherlich kein Ersatz für die USA. Darüber hinaus ist China ein geschätzte­r und wichtiger Partner Deutschlan­ds in vielen Bereichen, sowohl ökonomisch als auch in der internatio­nalen Politik. China ist aber auch ein hochbedeut­samer und nicht immer fairer Wettbewerb­er.

Sie spielen auf Huawei und den Einfluss der Staatsführ­ung in Peking auf chinesisch­e Unternehme­n an?

Rötten: Wir beschäftig­en uns im Auswärtige­n Ausschuss seit einiger Zeit sehr intensiv mit dieser Frage. Nicht direkt mit Huawei, aber mit den außen- und sicherheit­spolitisch­en Aspekten von 5G. Es geht

„Der Brexit wäre ein großes Drama, für beide Seiten. Für die Briten am meisten.“

Norbert Röttgen

vielmehr um die Staaten und deren Einfluss auf das Unternehme­n. Und ich glaube, es gibt keinen Zweifel, dass Huawei unter staatliche­r Einflussna­hme steht. Wir im Westen müssen analysiere­n, welche Unsicherhe­iten daraus für uns resultiere­n.

Was sind die Herausford­erungen? Röttgen: Anders als Russland das lange getan hat, sagt China nicht, man wolle so werden wie wir im Westen. Vielmehr bekundet China sehr selbstbewu­sst: Wir sind anders und wir haben ein besseres Menschenso­wie ein überlegene­s Gesellscha­ftsbild. Für uns ist das eine besondere ideologisc­he Herausford­erung. Aufpassen müssen wir da, wo China unter Missachtun­g der internatio­nalen Ordnung Machtausde­hnung betreibt. Insofern ist China ganz umfassend eine große Herausford­erung für den Westen und für Europa. Norbert Röttgen, 53, Jurist und CDU-Politiker aus dem Rheinland, war von 2009 bis 2012 Bundesumwe­ltminister. 2012 war er auch Spitzenkan­didat der CDU in NRW. Seit 2014 leitet er den Auswärtige­n Ausschuss des Bundestags.

 ?? Foto: Thilo Rück, Imago/Tagesspieg­el ?? Der Außenpolit­ik-Experte der CDU/CSU-Fraktion, Norbert Röttgen.
Foto: Thilo Rück, Imago/Tagesspieg­el Der Außenpolit­ik-Experte der CDU/CSU-Fraktion, Norbert Röttgen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany