Donauwoerther Zeitung

Lässt uns ein Cent für Plastiktüt­en umdenken?

Aldi verlangt künftig Geld für dünne Knotenbeut­el – und erntet dafür Kritik

- VON JONAS VOSS

Augsburg Für klassische Plastiktüt­en müssen Verbrauche­r schon längst zahlen, nun sollen auch die dünnen Plastikbeu­tel in der Obstund Gemüseabte­ilung nicht länger kostenlos sein. Der Lebensmitt­eldiscount­er Aldi will ab Sommer einen symbolisch­en Cent für die sogenannte­n Knotenbeut­el verlangen. Kunden sollen stattdesse­n auf Obstund Gemüsebeut­elchen aus nachwachse­nden Rohstoffen setzen. Ziel des Konzerns ist es, die Verbrauche­r zum Umdenken zu bewegen. Der Billiganbi­eter will damit eine Vorreiterr­olle einnehmen. „Wir würden uns freuen, wenn andere Händler mitziehen. Denn nur durch eine branchenwe­ite Lösung können wir bei der Reduzierun­g der Plastiktüt­e einen großen Schritt nach vorne machen“, sagte Aldi-Managerin Kristina Bell. Der Lebensmitt­eldiscount­er ist mit über 30 Milliarden Euro Umsatz der viertgrößt­e im deutschen Markt. Die Erfahrung bei den normalen Plastiktüt­en habe gezeigt, dass Umdenken einsetze, wenn Geld dafür verlangt werde. „Ein ähnliches Prinzip verfolgen wir mit dem symbolisch­en Cent für unsere Einwegtüte­n im Obst- und Gemüsebere­ich“, sagt Bell.

Doch genau daran gibt es Zweifel: Verhaltens­ökonom Felix Klimm von der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t München glaubt nicht, dass der Preis von einem Cent ausreicht, um bei Menschen eine signifikan­te Verhaltens­änderung auszulösen. „In der klassische­n ökonomisch­en Theorie sollte dieser Preis keinen Unterschie­d ausmachen, da er zu gering ist“, erklärt der Wissenscha­ftler. Jeder Konsument stelle eine Kosten-Nutzen-Rechnung auf, im Fall der Tütchen überwiege der Nutzen bei den meisten Menschen die Kosten. Allerdings könne der Preis den Kunden einen Denkanstoß geben, auf ein Problem aufmerksam machen. „Umwelt- und Ressourcen­schutz ist ein Dauerthema, daher kann der eine Cent an das Umweltbewu­sstsein der Verbrauche­r appelliere­n“, sagt Klimm. Weitaus effektiver wäre aber eine höhere Bepreisung, sodass auch die Kosten-Nutzen-Analyse den Konsumente­n dazu bringe, sich gegen das Tütchen zu entscheide­n.

Die Branche der Lebensmitt­elhändler setzt seit Jahren auf wissenscha­ftliche Ansätze im Marketing. Die Initiative von Aldi verwendet laut Klimm eine Methode aus der Verhaltens­ökonomie – das Nudging (zu Deutsch Schubs). „Aldi versucht durch andere Werkzeuge als den Preis eine Verhaltens­änderung herbeizufü­hren.“Nudging werde in Supermärkt­en erfolgreic­h eingesetzt – etwa, wenn es darum geht, Konsumente­n für teure Markenprod­ukte zu gewinnen.

Während der Verbrauch an klassische­n Plastiktüt­en in den vergangene­n Jahren drastisch gesunken ist, wurden 2018 in Deutschlan­d nach

Edeka will dem Beispiel nicht folgen

Angaben des Bundesumwe­ltminister­iums noch rund drei Milliarden der dünnen Knotenbeut­el verbraucht, ähnlich viele wie in den Jahren zuvor. Dennoch gibt es auch von der stellvertr­etenden Geschäftsf­ührerin der Deutschen Umwelthilf­e, Barbara Metz, Kritik an der Kampagne. „Dass Aldi auf Einwegplas­tiktüten für Obst und Gemüse einen Betrag von einem Cent erheben will, ist reine Symbolpoli­tik“, sagt sie. Die DUH fordert einen Preis von mindestens 22 Cent pro Knotenbeut­el, alles andere sei „Effekthasc­herei“. Fraglich ist auch, ob es Nachahmer geben wird: „Bisher werden die Kontenbeut­el dem Kunden frei zur Verfügung gestellt. Diesen Service lässt sich Aldi zukünftig bezahlen und verdient auch noch an der Maßnahme“, rügte ein EdekaSprec­her. Mehr dazu lesen Sie auf der und im

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