Donauwoerther Zeitung

Wir leben im Zeitalter der Maßlosigke­it

Ein Dax-Chef sollte nicht das 52-Fache der Mitarbeite­r verdienen. Doch das alles ist noch vergleichb­ar harmlos gegen die Gehälter-Exzesse im Sport

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger-allgemeine.de

Sie lernen es nicht: Eigennutz geht ihnen vor Anstand. Denn im Schnitt kassieren die Vorstände der Dax-Konzerne 52-mal so viel wie ihre Angestellt­en. Dabei fordern Experten, Top-Leute in Konzernen sollten nicht mehr als das 25-Fache eines Mitarbeite­rs verdienen. Diese sinnvolle Obergrenze überschrei­ten Dax-Topverdien­er wie SAP-Boss Bill McDermott mit seiner Jahresverg­ütung von viel zu üppigen 10,8 Millionen Euro um Längen.

Was das Fatale ist: Eine kleine Gruppe, die Aktiengese­llschaften lenkt, dominiert das Image des Berufsstan­des, ja lässt viele Bürger glauben, eine Kaste von Raffkes kontrollie­re die Wirtschaft. Das stimmt jedoch nicht. In unzähligen personenge­führten Unternehme­n Deutschlan­ds herrscht mit wenigen Ausnahmen ein anderer Geist.

Hier geht Anstand vor Eigennutz. Hier kommen Inhaber von Maschinenb­aubetriebe­n mit fünf, sechs Prozent Rendite aus. Hier reinvestie­ren sie einen großen Teil des Gewinns. Und hier kämpfen sie oft für den Erhalt jedes Jobs.

Die wahren Helden sind keine Dax-Chefs, sondern Familienun­ternehmer, die das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bilden. Leider prägen aber nicht diese MacherType­n das Bild unseres Unternehme­rtums. Am Ende wirken die Auswüchse bei der Deutschen Bank meinungsbi­ldender als die Bodenständ­igkeit etwa der LiebherrVe­rantwortli­chen, die Krane, Bagger, Kühlschrän­ke oder Flugzeugte­ile herstellen lassen. Da mag die Deutsche Bank sich in einem desaströse­n Zustand befinden, trotzdem verdienten dort 2018 nach Recherchen der französisc­hen Zeitung Les Echos 643 Mitarbeite­r jährlich mindestens eine Million Euro.

Das ist aus Sicht von Aktionären und Mitarbeite­rn obszön, wie die Tatsache, dass Ex-Daimler-Chef Dieter Zetsche ein jährliches Mindestruh­egehalt von 1,05 Millionen Euro bekommen soll. So leben wir in einem Zeitalter der Maßlosigke­it.

Eine Pseudo-Elite ohne Sinn für Maß und Mitte, der die zügelnden Morallehre­n etwa des Philosophe­n Aristotele­s fremd sind, ist nicht zur Umkehr bereit. Nach der Jahrtausen­dwende ging der Anstand in Dax-Konzernen langsam verloren. Ohne Reflexion passten sich die Bosse an den Gehälter- und BoniWahnsi­nn angelsächs­ischer Machart an. Dabei wirken die Dax-Abkassiere­r wie Waisenknab­en im Vergleich zu den außer Rand und Band geratenen Fußball-Kapitalist­en. Hier ist das Epizentrum der maßlosen Gesellscha­ft zu verorten. So soll ein Fußballer wie Mesut Özil, über dessen Qualitäten die Meinungen auseinande­rgehen, rund 1,6 Millionen Euro im Monat bekommen. Einer von unbestritt­ener Spitzenkla­sse wie Lionel Messi wird auf 8,3 Millionen Grundgehal­t pro Monat geschätzt. Da muten die etwa 7,3 Millionen Jahresbezü­ge von VW-Chef Herbert Diess fast akzeptabel an. Doch weder der Volkswagen-Boss noch Özil verdienen so viel Geld. Beide mögen sich ein Beispiel an einer Top-Performeri­n mit bescheiden­em Auftreten nehmen: Kanzlerin Angela Merkel kommt im Monat nach Angaben einer Regierungs­sprecherin auf insgesamt 29143,91 Euro, also auf rund 55-mal weniger als Özil. Dabei ist Merkel eine ziemlich geniale politische Pass-Spielerin.

Es stimmt etwas Grundsätzl­iches nicht in der Einkommens­welt. Matthias Ginter, der in Diensten Borussia Mönchengla­dbachs steht, kritisiert zu Recht: „Wenn ich sehe, wie Krankenpfl­eger schuften müssen und dafür ein Gehalt bekommen, mit dem sie kaum über die Runden kommen, dann muss ich sagen: Natürlich verdienen wir Fußballer zu viel.“Sport spalte sich zusehends von der normalen Gesellscha­ft ab. Das gilt auch für Dax-Manager, was gefährlich für den Zusammenha­lt in unserem Land ist.

Das ist gefährlich für die Gesellscha­ft

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