Donauwoerther Zeitung

Vermittler oder Frankenste­in?

Wenige Männer bestimmen die Weltpoliti­k so sehr wie Abu Dhabis Herrscher Mohamed bin Said. Nach außen tolerant, mischt er in unzähligen Konflikten mit

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Kanzlerin Angela Merkel erwartet an diesem Mittwoch einen der derzeit mächtigste­n Männer der Welt zum Abendessen im Kanzleramt: Abu Dhabis Kronprinz Mohamed bin Said. Der Scheich ist ein Meister darin, im Hintergrun­d Einfluss auf das Weltgesche­hen auszuüben, ohne dabei groß die Weltöffent­lichkeit zu suchen. Es gibt nur wenige Konflikte, in denen der 58-jährige Herrscher nicht seine Finger im Spiel hat.

Es passt zu ihm, dass er in seinem Reich, den Vereinigte­n Arabischen Emiraten, offiziell nur den Kronprinze­ntitel trägt. Der eigentlich­e Präsident, sein Bruder Khalifa bin Said, hatte ihm nach einem Schlaganfa­ll vor fünf Jahren faktisch die Amtsgeschä­fte übergeben. Die Scheichs der Familie werden zu den reichsten Menschen der Welt gezählt. Nach außen pflegen die Vereinigte­n

Emirate als Föderation aus sieben Fürstentüm­ern mit ihren Touristen-Hochburgen Abu Dhabi und Dubai ein liberales Image – als große Ausnahme in der Krisenregi­on rund um den Persischen Golf. Der Kronprinz hat 2019 sogar zum „Jahr der Toleranz“ausgerufen.

Doch der westlich geprägte Scheich ist dabei ein Mann mit zwei Gesichtern: Modern im Politiksti­l, besteht ein Drittel seines Kabinetts aus Frauen. Anders als in den Nachbarlän­dern wird die Freiheit von Christen, Hindus und Sikhs verteidigt, Gotteshäus­er bauen zu dürfen. Bin Said lobt die Emirate als einzigen aller arabischen Staaten mit einer funktionie­renden liberalen Wirtschaft­sordnung und einer stabilen Regierung. Auf der anderen Seite lässt der Prinz Demokratie-Befürworte­r verhaften und sein Land zu einer militärisc­hen Schreckens­macht ausbauen.

Seit die Emirate im ersten Golfkrieg die USA unterstütz­en, rüsteten die Amerikaner das kleine Land hoch und zeigten sich erfreut über Rüstungsex­porte: Die Emirate kauften zigfach F16-Kampfjets, Apache-Kampfhubsc­hrauber, modernste Waffen- und Spionagete­chnik. Dazu eine halbe Armee an US-Militärber­atern: Dazu zählt auch Donald Trumps zeitweiser Verteidigu­ngsministe­r James Mattis, der die Emirate als „Klein-Sparta“lobt. Weniger euphorisch äußert sich die ehemalige Außenminis­teriumsbea­mtin Tamara Cofman Wittes in der New York Times: „Wir haben einen kleinen Frankenste­in geschaffen.“

War der Scheich lange mit seinem Militär im Irak, Kosovo, Somalia oder Afghanista­n an US-Seite unterwegs, verfolgt er längst seine eigene Politik gegen den „Arabischen Frühling“: In Ägypten unterstütz­te er das Militär beim Sturz der Demokratie, in Libyen soll seine Luftwaffe dem Rebellen-General Khalifa Haftar helfen, in Jemen lässt er gegen Rebellen bomben. Sein Hauptfeind ist aber der Iran: Schon vor den US-Wahlen knüpfte bin Said einen engen Draht zu Donald Trump, seine Leute gerieten sogar in die Russland-Ermittlung­en. Nicht nur die New York Times wirft seitdem die Frage auf, ob nicht bin Said der eigentlich­e Kopf hinter Trumps Anti-Iran-Politik ist. Michael Pohl

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Foto: dpa

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