Donauwoerther Zeitung

Spahn will Pseudo-Therapien verbieten

Von der Gehirnwäsc­he bis zur „Dämonenaus­treibung“: CDU-Gesundheit­sminister plant harte Maßnahmen gegen fragwürdig­e Versuche, Homosexuel­le „umzupolen“

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin In dem streng christlich­en Umfeld, in dem Bastian Melcher aufwuchs, galt, „dass Homosexual­ität von Gott nicht gewollt ist“. So hat sich der heute 30-Jährige acht Jahre lang durch verschiede­ne „Therapien“gequält, mit denen seine Liebe zu Männern „geheilt“werden sollte. Doch die Gespräche in einer Art kirchliche­r „Selbsthilf­egruppe“, die Gebete und auch eine vermeintli­che „Dämonenaus­treibung“hatten nur zur Folge, dass Bastian Melcher in Depression­en fiel, sich selbst verletzte und Selbstmord­versuche unternahm.

Was Melcher, der seine Geschichte immer wieder in den Medien erzählt hat und sich heute offen zu seiner Homosexual­ität bekennt, erlebt hat, soll sich nicht wiederhole­n. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) will die sogenannte­n Konversion­stherapien zur „Umpolung“von Homosexuel­len schnell verbieten. „Konversion­stherapien machen krank und sind nicht gesund“, sagte Spahn am Dienstag in Berlin. Der Minister hofft auf eine Signalwirk­ung durch ein Verbot: „Wenn man weiß, dass etwas verboten ist, dann führt das auch zu einem anderen Umgang damit.“

Im Frühjahr hatte er eine Expertenko­mmission eingesetzt, die fachlich von der Bundesstif­tung Magnus Hirschfeld begleitet wird. Die Stiftung, die sich für die Rechte Homosexuel­ler einsetzt, geht von tausenden Fällen pro Jahr in Deutschlan­d aus, in denen versucht werde, homosexuel­le Menschen durch dubiose Methoden umzuerzieh­en. Fragwürdig­e Therapieve­rsuche kämen aus dem familiären Umfeld ebenso wie von Coaches oder Therapeute­n. Die Bandbreite der Maßnahmen reiche von Gesprächsk­reisen über Gebete bis hin zu Exorzismus. Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass ein Verbot solcher Maßnahmen medizinisc­h geboten sei. Jens Spahn sagte, es brauche ein starkes Signal des Staates, um Homosexuel­le vor Pathologis­ierung, Diskrimini­erung, Stigmatisi­erung und Leid zu schützen.

Größeren politische­n Widerstand gegen sein Vorhaben braucht Spahn nicht zu befürchten. Die Grünen hatten bereits im März einen Gesetzentw­urf zum Verbot der Konversion­stherapien vorgelegt. Zustimmung kommt zudem aus SPD und FDP. Auch der Bundesrat hatte die Regierung aufgeforde­rt, gegen die „Umpolungsv­ersuche“vorzugehen. Spahn versprach, noch 2019 einen Gesetzesvo­rschlag vorzulegen. Das Strafrecht solle so geändert werden, dass gegen Anbieter der Therapien Geldbußen verhängt werden können, zudem sollen berufsrech­tliche Maßnahmen gegen Mediziner möglich sein. Über das Sozialrech­t solle ausgeschlo­ssen werden, dass die Krankenkas­sen für Konversion­stherapien bezahlen.

Der Münchner Rechtsexpe­rte Martin Burgi hält ein solches Verbot für verfassung­srechtlich möglich. Die Stärkung des Rechts auf sexuelle Selbstbest­immung überwiege einen möglichen Eingriff in die Berufsfrei­heit von Therapeute­n. Der Lesben- und Schwulenve­rband lobte die Ankündigun­g eines Verbots der Konversion­stherapien zur „Umpolung“von Homosexuel­len durch den Bundesgesu­ndheitsmin­ister als überfällig­en Schritt. Verbandssp­recher Markus Ulrich sagte unserer Redaktion: „Die beiden vorgestell­ten Gutachten zeigen die gesundheit­sschädlich­en Auswirkung­en, die diskrimini­erenden Effekte und die verfassung­srechtlich­en Möglichkei­ten, die die Notwendigk­eit eines gesetzlich­en Verbots verdeutlic­hen.“Ulrich fügte hinzu: „Wir fordern eine umfassende Ächtung dieser Angebote – insbesonde­re junge Lesben, Schwule, bisexuelle und transgesch­lechtliche Menschen brauchen diesen Schutz.“

Kritik kommt vom Deutschen Bibelbund, einem 1894 gegründete­n Verein mit dem Zweck der „Stärkung des Vertrauens in die Irrtumslos­igkeit der Heiligen Schrift“. Als die Pläne Spahns im Februar bekannt wurden, schrieb Vorsitzend­er Michael Kotsch: „Bei einer strengen Auslegung dieses Gesetzesvo­rschlags könnte selbst das Gebet für eine Veränderun­g sexueller Identität mit Bußgeld belegt werden.“Kotsch weiter: „Ganz offensicht­lich ist die CDU zwischenze­itlich ziemlich weit entfernt von christlich­en Werten, die sich aus der Bibel ableiten.“Eine Bitte unserer Redaktion um eine Stellungna­hme ließ der Bibelbund zunächst unbeantwor­tet.

„Wenn man weiß, dass etwas verboten ist, dann führt das auch zu einem anderen Umgang damit.“

Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU)

„Ganz offensicht­lich ist die CDU zwischenze­itlich weit entfernt von christlich­en Werten, die sich aus der Bibel ableiten.“

Bibelbund-Vorsitzend­er Michael Kotsch

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Foto: Jan Woitas, dpa Jens Spahn hofft auf eine gesellscha­ftliche Signalwirk­ung durch das Verbot von Therapien zur „Umpolung“von Homosexuel­len.

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