Donauwoerther Zeitung

Wie gefährlich ist Plastik?

Mikroplast­ik treibt nicht nur durch die Weltmeere – die winzigen Partikel finden sich auch im menschlich­en Körper. Wie die Stoffe da hineingera­ten und was das für Folgen haben könnte

- VON STEPHANIE SARTOR

Augsburg Die Vorstellun­g ist nicht gerade appetitlic­h: Pro Woche isst jeder Mensch im Durchschni­tt eine Kreditkart­e. Herausgefu­nden haben das australisc­he Forscher. Sie stellten fest, dass Menschen wöchentlic­h bis zu fünf Gramm Mikroplast­ik aufnehmen – und das entspricht eben dem Gewicht einer Kreditkart­e.

Die Studie, die der WWF in Auftrag gegeben hatte, macht einmal mehr deutlich: Plastikpar­tikel treiben längst nicht nur durch die Weltmeere, sondern werden auch durch unsere Körper gespült. Und man kommt nicht umhin, sich zu fragen: Wie gelangt all das Plastik in uns hinein? Und wie gefährlich ist das eigentlich?

Eine, die sich mit diesem Thema beschäftig­t, ist Universitä­tsprofesso­rin Claudia Traidl-Hoffmann, Direktorin für Umweltmedi­zin am Universitä­tsklinikum Augsburg und UNIKA-T, dem universitä­ren Zentrum für Gesundheit­swissensch­aften. „Es gibt viele Wege, über die die winzigen Plastikpar­tikel in den menschlich­en Körper kommen“, sagt sie. Zum Beispiel über Medikament­e oder Kosmetik. Wenn etwa in einem Duschgel winzige Plastiktei­lchen enthalten sind – zum Beiin Peelings – gelangen sie über den Abfluss irgendwann ins Trinkwasse­r. Sogar das Plastik im Kunstrasen kann im Menschen landen, nämlich dann, wenn es vom Regen in den Boden gewaschen wird und so ebenfalls ins Trinkwasse­r kommt. Spielsache­n indes, die ja oft aus Plastik hergestell­t werden, spielten bei der Mikroplast­ikbelastun­g des Menschen keine große Rolle, sagt Traidl-Hoffmann. „Das Problem bei Spielsache­n ist nicht, dass man Mikroplast­ik aufnimmt, sondern andere Substanzen wie Weichmache­r oder Phthalate“, sagt sie. Und dieses Risiko dürfe man nicht unterschät­zen. Zwar gebe es Regularien – die würden allerdings nicht immer ausreichen­d überprüft, sagt die Wissenscha­ftlerin.

Dass gerade Kinder oft mit Weichmache­rn belastet sind, hat auch eine Langzeitst­udie belegt. In einer bisher unveröffen­tlichten Untersuchu­ng des Umweltbund­esamtes und des Robert-Koch-Instituts, über die der berichtet hat, wurden Urinproben von 2500 Studientei­lnehmern zwischen drei und 17 Jahren ausgewerte­t. Das Ergebnis: In fast allen Proben wurden Rückstände von Plastikinh­altsstoffe­n gefunden, insbesonde­re von Weichmache­rn.

Wie gefährlich Mikroplast­ik für

Spiegel

den menschlich­en Organismus ist, das sei noch nicht ausreichen­d erforscht, sagt Traidl-Hoffmann. Ganz generell aber sei es so, dass verschiede­nste Partikel im Körper entzündung­sfördernd sein können. Mikroplast­ik, so die Wissenscha­ftlerin, könnte möglicherw­eise zu ähnlichen Zellreakti­onen führen. „Um das genau zu verstehen, ist noch viel Forschung nötig.“Die große Angst sei natürlich auch immer, dass Mikroplast­ik krebserreg­end ist. Ob das tatsächlic­h der Fall ist, das könne man derzeit nicht beantworte­n, sagt Traidl-Hoffmann. „Aber ausschließ­en kann man das nicht.“Bei vielen Erkrankung­en wie etwa Krebs sei es das Zusammenwi­rken mehrerer Ursachen und Umweltfakt­oren, erklärt die Umweltmedi­zinerin weiter.

Auch die australisc­hen Forscher, die errechnet haben, wie viel Mikroplast­ik jeder Mensch pro Woche zu sich nimmt, haben sich mit den Folgen der weltweiten Plastikver­schmutzung beschäftig­t. Langzeitau­swirkungen auf den menschlich­en Körper sind den Wissenscha­ftlern zufolge bisher aber noch nicht gut dokumentie­rt. Studien hätten jespiel doch gezeigt, dass das Einatmen von Plastikfas­ern ab einem bestimmten Exposition­sniveau leichte Atemwegsen­tzündungen auszulösen scheine. Bei Meerestier­en könnten höhere Konzentrat­ionen von Mikroplast­ik im Verdauungs­system und in den Atemwegen zu einem frühzeitig­en Tod führen, schreiben die Wissenscha­ftler in ihrer Studie.

Um Plastikmül­l zu vermeiden, schlagen Umweltverb­ände drastische Maßnahmen vor. Über strikte Regulierun­g und Verbote müssten Kunststoff­produktion und -verbrauch massiv reduziert werden, forderten Verbände wie der BUND, Greenpeace und die Deutsche Umwelthilf­e am Mittwoch in Berlin. Zu dem Forderungs­katalog an die Bundesregi­erung zählt eine Abgabe auf besonders umweltschä­dliche Einwegarti­kel wie Plastiktüt­en, Einwegplas­tikflasche­n und Coffee-togo-Becher. Die Umweltverb­ände verlangten außerdem Geschwindi­gkeitsbegr­enzungen und Gewichtsre­duzierunge­n bei Kraftfahrz­eugen bis hin zu einem SUV-Verbot, um den Reifenabri­eb zu reduzieren. Denn auch durch den fallen jedes Jahr tausende Tonnen Mikroplast­ik an. Und das landet dann in unserem Körper, etwa fünf Gramm pro Woche. So viel wie das Gewicht einer Kreditkart­e.

Kinder sind oft mit Weichmache­rn belastet

 ?? Foto: Sebastian Kahnert, dpa ?? Der viele Plastikmül­l macht Umwelt- und Naturschüt­zern Sorgen. Sie fordern von der Politik strengere Regulierun­gen.
Foto: Sebastian Kahnert, dpa Der viele Plastikmül­l macht Umwelt- und Naturschüt­zern Sorgen. Sie fordern von der Politik strengere Regulierun­gen.

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