Kostenlose Lehrmaterialien ergänzen den Unterricht, sind aber nicht immer von zweifelsfreier Qualität
Der Lehrstuhl für Pädagogik hat ein Analysehilfe entwickelt, die Lehrende darin unterstützt die lizenzfreien Medien zu beurteilen
Digitale Informationen überschwemmen unser Leben. Zwischen wichtigen und unwichtigen, hochwertigen und schlechten zu unterscheiden ist eine der wichtigsten Kompetenzen heutzutage. Das gilt besonders auch für Lehrkräfte. Die rasante Zunahme häufig kostenloser Online-Lehrmaterialien und deren Anbieter erfordert von jenen die Fähigkeit einer professionellen Qualitätskontrolle der Unterrichtsmaterialien. Immer mehr werden auch Bildungsmedien mit offenen Lizenzen, sogenannte Open Educational Resources (OER) im Netz angeboten. Deren Qualität und Inhalte sind, ebenso wie die Anbieter solcher Materialien, sehr heterogen. Am Lehrstuhl für Pädagogik unter Professorin Dr. Eva Matthes wurden Werkzeuge zur Analyse von Bildungsmedien und deren Anbieter im Netz entwickelt. Diese wurden nun für freilizenzierte Angebote angepasst.
Offene Lizenzen, unsichere Qualität
Bislang konzentrierte sich die wenige Forschung zu OER auf deren spezifische Verwendungsmöglichkeiten, die Anbieter und die Qualität der Materialien wurden kaum untersucht. „Dabei ermöglicht das Internet als freier, quasi unkontrollierter Raum es diversen Interessensträgern, Stiftungen oder Unternehmen zum Beispiel, Bildungsmaterialien über Onlineplattformen anzubieten“, so Thomas Heiland, Mitarbeiter am Lehrstuhl für Pädagogik.
Die Idee hinter OER – die leichte Verfügbarkeit für alle und die einfache Aktualisierbarkeit – ist grundsätzlich positiv und ermöglicht vielfältigere Materialien im Klassenzimmer. Anders als bei Schulbüchern ist die Qualität jedoch nicht gesichert, insbesondere im Hinblick auf das mit dem Lehrmaterial transportierte Weltbild. „Qualitätsvolle Bildungsmedien sind eine wichtige Grundlage für einen qualitätsvollen Unterricht“, erklärt Eva Matthes. Ihr Forschungsteam hat darum diverse OEROnlineplattformen sowie deren Materialien untersucht. Die Anbieter stellen sehr unterschiedliche Materialien bereit. Komplette Lehrpläne sind ebenso verfügbar wie einzelne Unterrichtseinheiten, Aufgabenblätter, Audiound Videoformate und sogar ganze Lehrbücher. „Wichtig für die qualitative Beurteilung dieses Materials ist die Frage, wer es anbietet und welche Ziele und Interessen dahinterstehen“, so Stefan
Siegel, ebenfalls vom Lehrstuhl für Pädagogik.
Augsburger Analyseund Evaluationsraster
Überprüft haben die Forschenden die Plattformen mit einem Fragenkatalog, ein Werkzeug, das sie selbst entwickelt haben. Es basiert in Teilen auf dem Augsburger Analyse- und Evaluationsraster (AAER) für analoge und digitale Bildungsmedien. Lehrkräfte können mit dem AAER Bildungsmedien auf ihre Eignung für den kompetenzorientierten Unterricht prüfen und mit dem modifizierten Fragenkatalog die Qualität von OER-Plattformen, also den Anbietern von OER, beurteilen. Kriterien sind: eine ideologiekritische Perspektive, eine inhaltliche Lehr- und Lernmittelbeurteilung sowie eine Evaluation unter den Maßgaben schulischer Lehrund Lernprozesse.
Das AAER ist offen und erweiterbar genug, um für sehr unterschiedliche Materialien als Grundlage zu taugen. Sowohl Apps als auch Schulbücher lassen sich damit beurteilen. Lehrende aller Schulfächer sowie alle in der Didaktik und Pädagogik Tätigen auch außerhalb der Schule können ihre Materialien mit AAER überprüfen.
Qualitativ hochwertig, so das Fazit des Studienteams, sind OER nur, wenn sie fachwissenschaftlich, allgemein – und fachdidaktisch den aktuellen Stand des Wissens abbilden. „Bloße Qualitätsbehauptungen der unterschiedlichsten Anbietenden
von OER dürfen uns nicht zufriedenstellen, wir sollten hier nicht naiv, gutgläubig oder durch die freie Lizenzierung euphorisiert sein und dabei hinter bereits erreichte Qualitätsstandards zurückfallen“, fordert Matthes.
Die Forschung ist Teil des Augsburger Projekts „Förderung der Lehrerprofessionalität im Umgang mit Heterogenität“, das im Rahmen der Qualitätsoffensive Lehrerbildung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird.