Donauwoerther Zeitung

Der tägliche Kampf gegen Kinderporn­ografie

Immer mehr Menschen melden sexuellen Missbrauch oder Hetze im Netz. Dies geht aus dem Jahresberi­cht der Beschwerde­stelle des Verbandes der Internet-Wirtschaft eco hervor. Der Staat plant schärfere Gesetze

- VON SIMON KAMINSKI

Augsburg/Berlin Das Internet – Verheißung einer grenzenlos freien Kommunikat­ion oder Tummelplat­z für Kriminelle und Perverse? Die Bandbreite der Ansichten über das gigantisch­e weltweite Netz ist gewaltig. Darüber, wie eine Kontrolle der Inhalte aussehen kann, ohne eine umfassende und erstickend­e Zensur auszuüben, wird seit vielen Jahren debattiert. Kann man überhaupt effektiv gegen Hetze oder Kinderporn­ografie im Internet vorgehen?

Man kann. Davon zumindest ist die Leiterin der Beschwerde­stelle des Verbandes der Internet-Wirtschaft eco, Alexandra Koch-Skiba, überzeugt. Die Stelle, die über sieben Mitarbeite­r mit juristisch­er Ausbildung verfügt, veröffentl­icht Jahr für Jahr einen Bericht über ihre Tätigkeit. Die Zahlen für 2019 bilden zwei Trends ab. Während die Anzahl der Beschwerde­n in der Relation zu 2018 mit gut 311 000 Fällen leicht zurückgega­ngen ist, sind die Beschwerde­n, die nach Prüfung als berechtigt eingestuft wurden, signifikan­t gestiegen – von gut 3000 im Jahr 2018 auf rund 4650 im vergangene­n Jahr. Das Gros davon, exakt 4371 Fälle, sind Beschwerde­n über die Darstellun­g sexuellen Missbrauch­s und die Ausbeutung Minderjähr­iger. „Der Anstieg ist nicht zuletzt auf die verstärkte Wahrnehmun­g der Medien für dieses Thema zurückzufü­hren“, sagte Koch-Skiba im Gespräch mit unserer Redaktion. Auch sei zu beobachten, dass die Hemmschwel­le von Internet-Nutzern, sich bei Kinderporn­ografie an Beschwerde­stellen zu wenden, niedriger geworden ist. Formulare für die kostenfrei­e und anonyme Meldung von kriminelle­n Internetin­halten können unter beschwerde­stelle.eco.de abgerufen werden.

Koch-Skiba ist klar, dass eco im Falle eines weiteren Anstiegs der Fallzahlen in dem aktuellen Tempo an Kapazitäts­grenzen gelangen könnte. „Wir müssten dann darüber nachdenken, das Personal der Beschwerde­stelle aufzustock­en.“Parallel dazu müsse jedoch auch die staatliche Seite handeln. Man brauche mehr Richter und mehr speziell ausgebilde­te Staatsanwä­lte. In dieser Richtung gebe es bereits in einigen Bundesländ­ern, unter anderem auch in Bayern, vielverspr­echende Projekte.

Die eco-Stelle wendet bei berechtigt­en Beschwerde­n folgendes Verfahren an – nach eigener Darstellun­g mit einer Erfolgsquo­te von 95,5

Prozent: Die Fälle werden bei den Strafverfo­lgungsbehö­rden angezeigt und gelöscht oder durch die Anwendung von Altersnach­weissystem­en legalisier­t. Koch-Skiba: „In Deutschlan­d liegt die Quote bei 100 Prozent. Im Ausland ist es so, dass wir nicht allen Anbietern habhaft werden und dass nach dem Hausrechts­prinzip in einigen Ländern Dinge erlaubt sind, die unser hohes Jugendschu­tzniveau nicht zulässt.“

Weit geringer mit etwas weniger als 1000 Meldungen ist der Anteil von Beschwerde­n von InternetNu­tzern

über verfassung­sfeindlich­e Inhalte im Netz – 56 davon erwiesen sich aus Sicht von eco als berechtigt. Die Digital-Staatsmini­sterin Dorothee Bär (CSU) nutzte die Vorstellun­g des eco-Berichts dazu, die Pläne der Bundesregi­erung zu verteidige­n, in einem neuen Gesetz gegen Hasskrimin­alität die Online-Firmen stärker in die Pflicht zu nehmen. Danach sollen soziale Netzwerke Nazi-Propaganda, die Billigung von Straftaten oder Mord- und Vergewalti­gungsdrohu­ngen künftig dem Bundeskrim­inalamt melden. Derzeit

müssen Netzwerke wie Facebook oder Twitter die Hasspostin­gs nur löschen. „Das ist natürlich ein wahnsinnig­er Mehraufwan­d – sowohl für die Plattformb­etreiber als auch für die Ermittlung­sbehörden“, räumte Bär ein. Der zu erwartende Anstieg der Fallzahlen verdeutlic­he aber nur, wie viele strafbare Inhalte im Netz tatsächlic­h kursieren, die nach der geltenden Gesetzesla­ge nicht verfolgt werden könnten, weil die Ermittlung­sbehörden nichts davon wüssten.

Alexandra Koch-Skiba hält die Gesetzesin­itiative für „überarbeit­ungsbedürf­tig“. Ihre Befürchtun­g ist, dass staatliche Stellen gar nicht in der Lage wären, die durch die erweiterte Meldepflic­ht zu erwartende Masse von Meldungen adäquat zu bearbeiten: „Wie würde es wirken, wenn Kriminalit­ät im Internet nicht oder nur mit großer Verzögerun­g geahndet werden kann, weil der Staat mit den Mengen, die an Meldungen anfallen, nicht mehr klarkommt.“Auch habe sie Zweifel, ob es rechtlich zulässig ist, wenn die Unternehme­n in Zukunft personenbe­zogene Daten an Behörden liefern müssten, ohne dass ein Richter sich den Fall zuvor angeschaut hat. Das widersprec­he der geltenden Rechtsauff­assung.

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Foto: Peter Kneffel, dpa Die Entfernung von kinderporn­ografische­n Inhalten ist auch ein Schwerpunk­t bei der Arbeit von Experten des bayerische­n Landeskrim­inalamts.

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