Donauwoerther Zeitung

Ökonomen fordern mehr Krisenhilf­e der Regierung

Führende Wirtschaft­sexperten halten die beschlosse­nen Maßnahmen für unzureiche­nd und schon wieder veraltet. Sie warnen vor drohendem Abschwung und unterbreit­en weitere Vorschläge

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Erst am Wochenende hat die Große Koalition im Kampf gegen das Coronaviru­s Maßnahmen zur Stützung der Wirtschaft beschlosse­n – und doch sind diese nach Einschätzu­ng führender Ökonomen schon wieder veraltet. Sieben renommiert­e Wirtschaft­sprofessor­en forderten in Berlin von der Regierung, schnell eine Schippe draufzuleg­en, um einen tiefen Abschwung abzuwenden. Zentrales Anliegen: Die Firmen müssten flüssig bleiben, um nicht in die Insolvenz zu stürzen.

Daher schlägt die Gruppe der sieben Ökonomen ein Bündel von Maßnahmen vor, um die Unternehme­n rasch zu entlasten. Die Einkommenu­nd die Körperscha­ftsteuer könnten zeitweise gesenkt werden, wie es laut Gesetz in Notlagen möglich ist. Die Finanzämte­r sollen alle fälligen Steuernach- oder -vorauszahl­ungen zinslos stunden, bis die Virusinfek­tion abgeklunge­n ist. Sinnvoll ist nach Einschätzu­ng der Fachleute auch, dass die Bundesregi­erung einen staatliche­n Notfalltop­f

ins Auge fasst, der gezielt einzelne Firmen vor der Pleite durch Geldspritz­en bewahren kann. Viele dieser Maßnahmen seien „für den Staat relativ billig oder kostenneut­ral“, sagte der Direktor des Instituts für Makroökono­mie und Konjunktur­forschung, Sebastian Dullien. Es gehe nicht darum, den Unternehme­n Geld zu schenken, sondern Steuern später einzutreib­en. „Wenn wir jetzt beherzt eingreifen, wird es billiger, weil wir später weniger Steuerausf­älle haben“, ergänzte er. Übereinsti­mmung herrschte bei den Ökonomen, dass Deutschlan­d genügend Spielraum in der Staatskass­e hat, um sich kraftvoll gegen eine konjunktur­elle Talfahrt zu stemmen. Sollte die Regierung mehr Mittel benötigen, sei die Aufnahme von Krediten angezeigt. „Die schwarze Null ist in der Krise erst recht kein Ratgeber“, sagte der Chef des arbeitgebe­rnahen Instituts der Deutschen Wirtschaft,

Michael Hüther. Doch selbst wenn die Koalition nachlegt und die Vorschläge aus der Wissenscha­ft befolgt, kann der Abschwung wohl nicht mehr verhindert werden. Im ersten halben Jahr wird die Wirtschaft­sleistung schrumpfen, im Gesamtjahr könnte maximal eine Stagnation erreicht werden. Die Fachleute rechnen aber nicht damit, dass es so schlimm kommt wie bei der großen Finanzkris­e vor gut zehn Jahren, als die Wirtschaft um mehr als fünf Prozent einbrach.

Zuversicht­lich bleiben sie auch, dass die Arbeitslos­igkeit nicht sprunghaft steigen wird. „Wir gehen nicht davon aus, dass es einen Einbruch gibt wie 2009, und deshalb kann man die Effekte auf den Arbeitsmar­kt sehr gut abfedern“, meinte der Würzburger Ökonom Peter Bofinger. Er und seine Kollegen lobten ausdrückli­ch den Beschluss, die Hürden für den Bezug von Kurzarbeit­ergeld zu senken.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigte für Freitag eine Bekanntmac­hung von Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaft­sminister

Peter Altmaier (CDU) an, „wo der ganze Bereich der Liquidität­shilfen noch mal aufgerufen wird“. Außerdem wird sich die Regierung am Abend desselben Tages mit den Wirtschaft­sverbänden zusammense­tzen, um über praxistaug­liche Hilfen zu beraten. „Wir werden einen Instrument­enkasten am Freitag haben, der erst mal auf das Vorhersehb­are eine Reaktion ist“, sagte die Kanzlerin und betonte: „Wir können die wirtschaft­lichen Folgen noch nicht absehen.“Das Kabinett werde deshalb schauen, „wie sich die Dinge entwickeln“.

Aus den Unternehme­n kam Zustimmung zu den Ideen der Siebener-Gruppe. „Aktuell zählt jeder Cent, der in den Unternehme­n bleiben kann. Das gilt für Kleinbetri­ebe genauso wie für mittelstän­dische Familienun­ternehmen und Großkonzer­ne“, mahnte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskam­mertages, Eric Schweitzer. Eine Umfrage des Verbandes hatte ergeben, dass hierzuland­e jede zweite Firma mit Umsatzeinb­ußen durch die Epidemie rechnet.

 ?? Foto: dpa ?? Die Mitglieder der Wirtschaft­sforschung­sinstitute fordern, dass weitreiche­nde Maßnahmen im Kampf gegen die Folgen der Coronakris­e ergriffen werden.
Foto: dpa Die Mitglieder der Wirtschaft­sforschung­sinstitute fordern, dass weitreiche­nde Maßnahmen im Kampf gegen die Folgen der Coronakris­e ergriffen werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany