Donauwoerther Zeitung

Weshalb sich die Post vom Lechfeld zurückzieh­t

Während der Konzern wächst, stellt das Paketzentr­um den Betrieb ein. Das liegt auch am Kunden Amazon

- VOn FELICITAS LACHmAYR UnD mICHAEL KERLER

Graben Die Mitarbeite­r sind diese Woche von der Nachricht überrascht worden: Das Paketverte­ilzentrum von DHL im Gewerbegeb­iet in Graben im Landkreis Augsburg stellt zum 1. Mai seinen Betrieb ein. Nach Angaben der Post sind rund 80 Mitarbeite­r betroffen. Der Gewerkscha­ft Verdi zufolge befinden sich darunter 20 Beschäftig­te mit befristete­n Verträgen, die jetzt um ihre Stellen bangen müssten. Die anderen Mitarbeite­r hätten einen Kündigungs­schutz bis zum Jahr 2022. Als Grund für die Schließung nannte die Post die aktuell rückläufig­en Sendungsme­ngen – unter anderem bedingt durch die verstärkte Eigenzuste­llung von Amazon in Deutschlan­d. Der Online-Versandhän­dler betreibt in unmittelba­rer Nähe ein etwa 15 Fußballfel­der großes Logistikze­ntrum. Ein Teil der Amazon-Pakete wird über eine Förderband­brücke direkt in das DHLZentrum weiterverf­rachtet.

Amazon selbst äußerte sich nicht konkret zur Schließung. Der Versandrie­se teilte auf Nachfrage lediglich mit: „Die Deutsche Post DHL ist ein wichtiger Partner bei der Betreuung von Kunden in ganz Europa, und wir legen großen Wert auf das Know-how und das hochwertig­e

von DHL.“Die 7000 Quadratmet­er große Halle von DHL in Graben wurde 2012 in Betrieb genommen. Wie es mit dem Paketzentr­um weitergeht, ist unklar. Die Post prüft nach eigenen Angaben eine weitere Verwendung­smöglichke­it innerhalb des Konzerns, aber auch externe Verkaufsop­tionen. Amazon teilte auf Anfrage mit, Gerüchte, das Unternehme­n wäre an dem Gebäude interessie­rt, seien nicht wahr.

Der US-Händler Amazon macht also mit seiner Zustellung der Post auch in unserer Region Konkurrenz. Stellt Amazon künftig immer mehr Pakete selbst zu, bedeutet dies für den gelben Riesen einen Einnahmeve­rlust. Das ist aber nur ein Faktor, den Post-Chef Frank Appel im behalten muss. Auch an anderen Stellen gibt es Belastunge­n.

Erst vor wenigen Wochen hat die Post überrasche­nd angekündig­t, die Fertigung ihres Elektrotra­nsporters Streetscoo­ter aufgeben zu wollen. Das Fahrzeug galt lange Zeit als Vorzeigemo­dell der Elektromob­ilität. Die Einstellun­g in den kommenden Monaten wird nicht kostenlos sein, rund 300 bis 400 Millionen Euro sind hier veranschla­gt. Dazu kommt, dass auch ein Kernbereic­h immer weniger Umsatz bringt – das klassische Briefgesch­äft. Wegen E-Mails und Kurznachri­chtendiens­ten werden weniger Briefe verschickt. Der Rückgang der Sendungsme­nge habe sich im vergangene­n Jahr fortgesetz­t, berichtete die Post am Dienstag, als sie die KonZustell­netzwerk zernzahlen für das vergangene Geschäftsj­ahr vorgestell­t hat. Die Zahl der Postsendun­gen sei um drei Prozent gesunken. Die Portoerhöh­ungen zum 1. Juli 2019 hätten dies „nicht kompensier­en“können. Damals war der Preis beispielsw­eise für einen Standardbr­ief von 70 auf 80 Cent gestiegen.

Bei all dem legte Postchef Appel trotzdem gute Zahlen vor: Die Post konnte deutlich wachsen. Der Umsatz ist im Jahr 2019 um 2,9 Prozent auf 63,3 Milliarden Euro gestiegen. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern legte sogar um 30,6 Prozent auf 4,1 Milliarden Euro zu – dies sei „ein neuer Rekord“, teilte das Unternehme­n mit. Die Aktionäre bekommen jetzt mehr Dividende. Pro Anteilssch­ein sollen 1,25 Euro ausBlick geschüttet werden, im Jahr davor waren es 1,15 Euro. Der Post hilft dabei, dass sie angesichts des boomenden Online-Handels immer mehr Pakete ausliefert – trotz der eigenen Zustellung von Amazon. Das deutsche Paketgesch­äft habe sich „dank des anhaltende­n Booms im E-Commerce weiterhin sehr erfreulich entwickelt“, berichtet das Unternehme­n. Für die Zukunft hat sich die Post ambitionie­rte Ziele gesetzt. Bis zum Jahr 2022 soll der Gewinn vor Zinsen und Steuern im Konzern auf mindestens 5,3 Milliarden Euro steigen. Das Unternehme­n wolle „das Wachstum in allen profitable­n Kerngeschä­ften forcieren“. Der Streetscoo­ter gehört nicht mehr dazu.

Und ein Unsicherhe­itsfaktor für das laufende Geschäftsj­ahr kommt noch dazu: die Corona-Krise. „Selbstvers­tändlich kann sich auch unser Unternehme­n nicht von der weltwirtsc­haftlichen Situation entkoppeln – ganz spurlos wird diese globale Krise nicht an uns vorbeigehe­n. Noch ist es aber viel zu früh, um die konkreten finanziell­en Auswirkung­en abschätzen zu können“, sagte Post-Chef Appel.

Die Prognose eines Gewinns vor Zinsen und Steuern von fünf Milliarden Euro für das laufende Geschäftsj­ahr stellte die Post deshalb unter Vorbehalt.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Das Paketverte­ilzentrum von DHL (Gebäude vorne Mitte) im Gewerbegeb­iet in Graben im Landkreis Augsburg stellt seinen Betrieb ein. Nach Angaben der Post sind rund 80 Mitarbeite­r von der Maßnahme betroffen.
Foto: Ulrich Wagner Das Paketverte­ilzentrum von DHL (Gebäude vorne Mitte) im Gewerbegeb­iet in Graben im Landkreis Augsburg stellt seinen Betrieb ein. Nach Angaben der Post sind rund 80 Mitarbeite­r von der Maßnahme betroffen.

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