Donauwoerther Zeitung

Bei Beethoven hauen die Künstler auf die Pathos-Pauke

Bildnisse des Komponiste­n gibt es seit über 200 Jahren. Die Fantasie seiner Verehrer schuf einen Personenku­lt, der heute befremdet

- VON GÜNTER OTT

Sie gleichen mächtigen Erscheinun­gen, schauen aus der Höhe auf uns herab und trotzdem gehen wir achtlos an ihnen vorbei. Denkmale, so Robert Musil, seien „gegen Aufmerksam­keit imprägnier­t“. Derweil haben sie uns viel zu erzählen – von großen Geistern und ihrer Zeit, von konträren Deutungen und ihrer Einkleidun­g, von Personenku­lt und Nationalbe­wusstsein.

Die vielsagend­e Probe aufs Exempel machen die renommiert­en Professore­n Werner Busch und Martin Geck, Kunsthisto­riker der eine, Musikwisse­nschaftler der andere, in ihrem kompakt-ergiebigen Buch „Beethoven-Bilder“. Im Jahr seines 250. Geburtstag­es tritt der gemalte, gestochene, in Bronze gegossene, in Marmor gemeißelte, in Gips geformte oder in die Badewanne gelegte Komponist vor Augen. In 17 Bildnissen, einer pointierte­n

Auswahl aus einem wahrlich weiten Spektrum, wird Beethoven (geb. 1770 in Bonn, gest. 1827 in Wien) durch die Zeiten gereicht. Die Spanne reicht von Willibrord Joseph Mählers Gemälde (1803) bis zu Markus Lüpertz’ Bronze (2014), die in verschiede­nen farbigen Fassungen in Bonn, Leipzig und Wien steht.

Überzeitli­che Typisierun­gen fallen allenthalb­en auf. Installier­t wird eine deutsche Ikone, an der die Historie abprallt. Große Augen, hohe Stirn, der Blick zur Seite über die Schulter („geniale Kopfwendun­g“), Stift und Notenblatt in der Hand, all das ruft den hehren Moment der Inspiratio­n herbei. Die Löwenmähne und der umdüsterte Blick stützen das Pathos.

Joseph Stielers Ölbild „Beethoven mit dem Manuskript der Missa solemnis“(1820) setzt Maßstäbe. Hier verfestigt sich ein Typus, der mit der tatsächlic­hen Erscheinun­g des Komponiste­n nicht zu verwechsel­n ist. Da es von Beethoven kein fotografis­ches Zeugnis gibt, konnte sich die Fantasie der Verehrer ins Zeug werfen.

Zu den Standardat­tributen Beethovens (und anderer Musiker wie Händel) zählt die Lyra, die Apoll als Gott der Musen herbeiziti­ert. Zudem wird Beethoven mit dem Titanen und Lichtbring­er Prometheus gleichgese­tzt (eine nicht zuletzt auch von Richard Wagner und Franz Liszt beschworen­e Analogie). Max Klinger hat in seinem enorm teuren, die Materialie­n verschwend­erisch mischenden „Beethoven“(1902) dem weiß marmornen, sakralisie­rten Komponiste­n einen mächtigen Adler appliziert.

Caspar Clemens von Zumbusch gesellte in seinem Wiener Monument (1880) dem Heroen nicht nur den gefesselte­n Prometheus am Sockel bei, sondern auch die geflügelte Siegesgött­in Nike. Beethoven ficht den Kampf zwischen Nacht und Licht aus (dieser Konflikt wurde alsbald auf seine „Fünfte“bezogen). Am Muster von Hölle und Paradies wirkte der Komponist schon in frühen Jahren mit. Er sprach vom „endlos Leidenden Zustande“, in den ihn seine Gehörleide­n zwinge, und seinen die Menschheit rettenden „Kunst-Fähigkeite­n“.

Dem besessenen Kämpfer Beethoven huldigte der von Beethoven besessene Franzose Antoine Bourdelle. Zwischen 1888 und seinem Todesjahr 1929 schuf er 80(!) Skulpturen, zuletzt „Beethoven am Kreuz“, gezeichnet vom tragischen Pathos. Von Bourdelle ist der Satz überliefer­t: „Der Schweiß von Beethovens Stirn fiel auf mein zerdrückte­s Herz.“

Solch empathisch­e Nähe mag in der Moderne eher befremden. Figurenden­kmal und Personenku­lt büßten sukzessive ihren Nimbus ein. Dem Wettbewerb um ein Beethoven-Monument

in Berlin 1926 war schon aufgrund der acht eingeladen­en, höchst unterschie­dlichen Bildhauer die Ratlosigke­it abzulesen. Auch Ernst Barlach reichte einen Entwurf ein, eine Art abstrahier­ten Beethoven-Turm. Später sprach er von einer „Torheit“und zerstörte das Gipsmodell.

Beethoven unter dem Vergrößeru­ngsglas und Beethoven als Schrumpfko­pf: Ein Ende dieses kulturhist­orischen Auf und Ab markiert Dieter Roth. Im Kölner Museum Ludwig steht seine Badewanne „Ludwig van“(1969) mit etlichen Köpfen aus weißer Schmelzgla­sur, brauner Schokolade­nkuvertüre und Hartfett. Die auratische­n Beethoven-Bilder (der Kunst und Kulturindu­strie) sind dem Verfall übereignet.

» Beethoven-Bilder. Von Werner Busch und Martin Geck, Verlag J. B. Metzler, 192 Seiten, 29,99 Euro

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Foto: Aus d. besprochen­en Band Kein Material zu teuer: Max Klingers imposanter marmorweiß­er „Beethoven“von 1902.

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