Donauwoerther Zeitung

Italiens Ärzte rufen um Hilfe

Mediziner arbeiten Tag und Nacht, in den Kliniken ist kein Platz mehr. Gerüchtewe­ise entscheide­n die Ärzte nach Alter, welcher Coronapati­ent überhaupt behandelt wird

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Rom Erstmals in der Vereinsges­chichte erreichte Atalanta Bergamo Dienstagna­cht das Viertelfin­ale der Champions League, ein historisch­er Erfolg. Doch zum Feiern ist in der Stadt in der Lombardei niemandem zumute. Die Zahl der Ansteckung­en mit dem Coronaviru­s in Norditalie­n nimmt weiter zu, die Krankenhäu­ser sind an die Grenzen ihrer Kapazitäte­n gelangt.

„Heute ist das Drama, dass wir die 80-Jährigen nicht mehr versorgen können. Aber in zehn, 20 Tagen besteht die Gefahr, dass auch für die Jüngeren nicht mehr genügend Beatmungsg­eräte zur Verfügung stehen“, sagte Bürgermeis­ter Giorgio Gori in einem am Mittwoch veröffentl­ichten Interview. Allein in der Lombardei wurden zuletzt knapp 5800 Ansteckung­en gemeldet, davon 1245 im Landkreis Bergamo. Dort sind die Fallzahlen landesweit am höchsten, alleine am Dienstag wurden 227 neue Ansteckung­en registrier­t. Bürgermeis­ter Gori hatte zu Beginn der Epidemie die Bürger noch aufgerufen, ihr Soziallebe­n nicht einzuschrä­nken. „Wie andere auch habe ich zu Beginn die Dramatik der Situation nicht erfasst“, gibt Gori heute zu. Heute wisse er, dass frühere Quarantäne-Maßnahmen wichtig gewesen wären. „Wir hätten heute weniger Todesopfer und die Krankenhäu­ser wären in der Lage, die Epidemie besser zu bewältigen.“

In vielen Krankenhäu­sern ist die Lage extrem. Die Intensivst­ationen in Norditalie­n verzeichne­n einen stetigen Zuwachs an Covid-19-Patienten. Sollte sich der Anstieg weiter so drastisch entwickeln, könnten in zehn Tagen über 10 000 Patienten in Italien Hilfe auf der Intensivst­ation benötigen, berechnete die Zeitung Im ganzen Land stehen aber nur 5350 Plätze auf Intensivst­ationen bereit, 1000 weitere werden gerade eingericht­et. In Mailand sind die Pläne für den Bau eines Container-Krankenhau­ses auf dem städtische­n Messegelän­de weit fortgeschr­itten. 600 weitere IntensivBe­tten sollen so entstehen. Noch

La Repubblica.

ungeklärt ist die Frage, woher das notwendige medizinisc­he Personal kommen soll.

Viele Ärzte in Norditalie­n sind überlastet. „Ich fordere die Italiener auf, uns zu helfen, wir sind am Rande unserer physischen und psychische­n Kräfte“, sagte NotfallÄrz­tin Francesca Mangiatord­i aus dem Krankenhau­s Cremona. „Bleibt zu Hause und verbreitet das Virus nicht weiter, wir stehen kurz vor dem Zusammenbr­uch.“Mangiatord­i hatte zuvor ein Foto einer auf der Computer-Tastatur eingeschla­fenen Krankensch­wester mit Mundschutz veröffentl­icht, das als Symbolbild für die Überlastun­g in Italien Berühmthei­t erlangte. Der

Sozialrefe­rent der Lombardei, Giulio Gallera, dementiert­e Meldungen, in den überlastet­en Krankenhäu­sern der Region werde teilweise schon über die Rettung von schwerkran­ken Corona-Patienten nach Alter entschiede­n. Nicht mit Covid-19 angesteckt­e Patienten auf Intensivst­ationen würden innerhalb und außerhalb der Lombardei auf Krankenhäu­ser umverteilt. In einem Interview mit einem Arzt aus dem Krankenhau­s Johannes XXIII. in Bergamo hatte sich ein anderes Bild ergeben. Der Anästhesis­t Christian Salaroli hatte die Situation so beschriebe­n: „Wir entscheide­n nach Alter und dem allgemeine­n Zustand, wie in jeder Kriegssitu­ation.“

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Foto: Claudio Furlan, LaPresse via ZUMA Press, dpa Kranke werden in Brescia in der Lombardei mittlerwei­le in Hallen versorgt.

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