„Wir haben Angst“
Ein Betroffener aus Norditalien erzählt, wie Corona die Region im Griff hat
Herr Passmore-Cox, Sie leben mitten in der Lombardei in Italien, die vom Coronavirus am schlimmsten betroffen ist und auch erste Sperrzone war. Wie sieht Ihr Alltag denn gerade aus?
Graham Passmore-Cox: Die Lombardei ist momentan der schlimmste Ort, an dem man sich aufhalten kann. Die Region ist komplett abgeriegelt. Am Dienstag bin ich mit meiner Frau spazieren gegangen. Es waren keine Autos unterwegs, keine Menschen, alle Geschäfte, Bars, Restaurants, Büros sind geschlossen. Es ist wie in einem Film, wie auf einem anderen Planeten.
Können Sie Lebensmittel einkaufen gehen?
Passmore-Cox: Nein. Wir müssen das essen, was wir zu Hause haben. Meine Frau und ich haben zu große Angst, um einkaufen zu gehen. Wir befürchten, uns anzustecken.
Haben Sie überhaupt Vorräte angelegt?
Passmore-Cox: Wir haben Milch und Fleisch eingefroren und haben – natürlich – ganz viel Pasta zu Hause. In Italien wird sicherlich niemand verhungern, weil jeder Italiener immer eine volle Vorratskammer hat. Aber wir müssen trotzdem aufpassen. Denn unglücklicherweise wird die Lage jeden Tag immer schlimmer.
Was machen Sie denn jetzt den ganzen Tag?
Passmore-Cox: Wir bleiben zu Hause, essen und schauen Fernsehen. Draußen ist es gespenstisch ruhig, niemand ist auf der Straße. Alle Hotels sind leer und geschlossen.
Fühlen Sie sich gut informiert?
Passmore-Cox: Ursprünglich komme ich aus England, aber ich lebe seit Jahrzehnten in diesem Land. Ich weiß, hier funktioniert nichts zu 100 Prozent. Aber in dieser Krise arbeitet die Regierung außergewöhnlich gut. Aus unserer Sicht tut sie alles für unsere Sicherheit, was möglich ist. Ich fühle mich sehr gut informiert, wir haben sogar einige Fernsehsender, die nur für Nachrichten rund um das Virus reserviert sind.
Und Sie sind wirklich komplett eingesperrt?
Passmore-Cox: Vollkommen. Wir dürfen unsere Kommune nicht verlassen, alle Straßen werden von der Polizei versperrt.
Wie groß ist gerade Ihre Angst vor dem Virus?
Passmore-Cox: Unser Premierminister informiert uns schnell und effizient. Er verbreitet keine Panik und hält sich an die Fakten. Aber meine Frau und ich haben trotzdem Angst um unser Leben. Ich bin 68, meine Frau ist 70, und wenn wir uns infizieren, werden wir vielleicht sterben, weil uns vermutlich kein Krankenhaus aufnehmen wird. Aber wir sind beide gesund. Wenn wir zu Hause bleiben, dann wird alles in Ordnung sein.