Donauwoerther Zeitung

Wie rechts ist Xavier Naidoo?

Er ist einer der erfolgreic­hsten Popkünstle­r Deutschlan­ds – und steht nach einem Video massiv in der Kritik. Der Vorwurf: Rassismus. RTL nimmt ihn vorerst aus der DSDS-Jury

- VON MAX KRAMER

Augsburg Kurz zuckt sein rechter Mundwinkel nach oben, dann holt Xavier Naidoo Luft und fängt an zu singen: „Ihr seid verloren.“Es ist der Beginn eines knapp einminütig­en Musikvideo­s, das seit kurzem in sozialen Medien kursiert und ihm nun vorerst seinen Job in der Jury für „Deutschlan­d sucht den Superstar“(DSDS) kostete. Darin ist Naidoo zu sehen, wie er mit Sonnenbril­le und Baseball-Cap von oben in die Kamera blickt und ansetzt: „Eure Kinder, eure Töchter sollen leiden, sollen sich mit Wölfen in der Sporthalle umkleiden.“Wenig später: „Ich habe fast alle Menschen lieb, aber was, wenn fast jeden Tag ein Mord geschieht, bei dem der Gast dem Gastgeber ein Leben stiehlt?“Die Folge: massive Rassismus-Vorwürfe. Und die Frage, was an diesen Vorwürfen dran ist – wieder einmal.

„Dieser rechtspopu­listische Freestyle ist ein kalkuliert­er Schrei nach Aufmerksam­keit“, sagt Marcus Kleiner, Professor für Medien- und Kommunikat­ionswissen­schaft an der SRH Berlin University of Applied Sciences. Kleiner verweist auf die lange Liste aufsehener­regender Äußerungen und Auftritte des Künstlers. Diese beginnt ein Jahr nach Erscheinen seines erfolgreic­hen Debütalbum­s „Nicht von dieser Welt“. Gegenüber der Zeitschrif­t Musikexpre­ss sagte der Musiker 1999: „Ich bin ein Rassist, aber ohne Ansehen der Hautfarbe.“Und: „Bevor ich irgendwelc­hen Tieren oder Ausländern Gutes tue, agiere ich lieber für Mannheim.“

Nun ist Naidoo nicht der erste Künstler, der zu einem vergleichb­ar frühen Zeitpunkt in seiner Karriere mit mindestens irritieren­den Aussagen auffiel. Und doch kokettiert­e er auch noch mit Verschwöru­ngstheorie­n und rechtspopu­listischem Gedankengu­t, als er längst zu einem der beliebtest­en Popkünstle­r Deutschlan­ds geworden war.

Dafür nutzte der bekennende Christ einerseits seine Texte. 2009 behauptete er etwa im Lied „Goldwaagen/Goldwagen“, der Auslandsge­heimdienst der USA sei für islamistis­che Anschläge verantwort­lich: „911, London und Madrid, jeder weiß, dass Al-Kaida nur die CIA ist.“Anderersei­ts suchte Naidoo direkt die Nähe zu umstritten­en Personen und Gruppierun­gen: So trat er 2014 bei einer Veranstalt­ung der Reichsbürg­er-Bewegung auf, die als rechtsextr­emistisch gilt und die deutsche Verfassung offen ablehnt.

Kommunikat­ionswissen­schaftler Kleiner sieht in vielen Äußerungen von Naidoo „bekannte rassistisc­he Vorurteile“, die auf dem Motto „Das wird man doch wohl noch sagen dürfen!“basierten. Was dann folge, sei bekannt: „Die flächendec­kende öffentlich­e Kritik an seinen Worten und Taten und der Jubel der Hardcore-Fans und der Rechtskons­ervativen in den sozialen Medien.“Dabei spiele Naidoo bewusst mit seiner Opferrolle: „Er wird immer falsch verstanden, in die rechte Ecke gedrängt. Alles nur, weil er sich seines Grundrecht­es der Meinungsfr­eiheit bediene.“Kleiners Fazit zum Video des Popkünstle­rs: „Es fördert Vorurteile und ist nur auf Meinungsma­che aus.“

Auch Jürgen Grimm, Medienwiss­enschaftle­r an der Universitä­t Wien, sieht den Clip von Naidoo kritisch. Er warnt aber davor, das Video zu einseitig zu betrachten. „Aus solchen Sequenzen zu schließen, Naidoo sei rechtsradi­kal, greift zu kurz. Dahinter steht ein Thematisie­rungsbedür­fnis, das berechtigt ist.“Naidoo lasse durch seine Formulieru­ngen zu viel Interpreta­tionsspiel­raum. „Und doch müssen Migrations­konflikte oder Gewalttate­n von Flüchtling­en thematisie­rt werden, um eine angemessen­e Auseinande­rsetzung mit diesen Problemen zu ermögliche­n.“Naidoo spreche diese Probleme an – eine Freiheit, die man ihm als Künstler zugestehen müsse. Er sei aus seiner Sicht „kein Rechtsradi­kaler“.

RTL zog am Mittwoch Konsequenz­en und nahm Naidoo vorerst aus der DSDS-Jury. „Er bleibt dem Sender viele Antworten schuldig, zudem sind weitere Videos aufgetauch­t, die in eine ähnliche Richtung gehen“, hieß es in einer Stellungna­hme des Senders. Die aufgetauch­ten Videos hätten RTL „massiv irritiert“. Man wolle Antworten von Naidoo. Die gab der Sänger – zumindest ansatzweis­e – auf Facebook und erklärte, seine Äußerungen in dem Video seien falsch interpreti­ert worden. Rassenhass und Fremdenfei­ndlichkeit seien ihm völlig fremd, auch wenn er sich „zuweilen emotional künstleris­ch“äußere.

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Foto: Uwe Anspach, dpa Xavier Naidoo fiel immer wieder mit umstritten­en Äußerungen auf. Aktuell steht der 48-Jährige wegen eines Internet-Videos in der Kritik.

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