Donauwoerther Zeitung

Aus der Welt der Frauen in die Welt des Klosters

Stefan Ruzowitzky hat den Hermann-Hesse-Klassiker überzeugen­d verfilmt. Dafür brach er die chronologi­sche Erzählform des Buches auf. Sabin Tambrea überzeugt mehr als Jannis Niewöhner

- VON MARTIN SCHWICKERT

„Wir drei können ja zusammen Freunde sein: Du, ich und Gott“sagt der kleine, rotwangige Goldmund, der vom Vater in ein Kloster gesteckt wurde. Der schmale, blasse Narziss nickt etwas zögerlich. Der junge Novize ahnt, dass ihn diese Dreier-Kiste in Schwierigk­eiten bringen wird.

Neben „Siddhartha“und „Steppenwol­f“gehört die 1930 erschienen­e Erzählung „Narziss und Goldmund“zu den populärste­n Werken Hermann Hesses. Ganze Generation­en sinnsuchen­der Gymnasiast­en haben sich mit den Selbstfind­ungsprozes­sen der zwei ungleichen Freunde auseinande­rgesetzt. Nun hat der österreich­ische Oscarpreis­träger Stefan Ruzowitzky („Die Fälscher“) den Hesse-Klassiker 90 Jahre nach seiner Erstveröff­entlichung fürs Kino adaptiert. Dabei bricht er die chronologi­sche Erzählstru­ktur der Vorlage auf. Zum narrativen Zentrum wird hier die Rückkehr Goldmunds (Jannis Niewöhner) ins Kloster, der nach einer Liebelei mit einer Fürstentoc­hter nur knapp mit dem Leben davon gekommen ist. Ein geschunden­er Mann, der von dem Abt Narziss (Sabin Tambrea) nicht nur klösterlic­he Kost und Logis, sondern auch den Auftrag bekommt, einen neuen Altar zu schnitzen.

In den Gesprächen der beiden Freunde fächert der Film mit Rückblende­n die gemeinsame Kindheit im Kloster Mariabronn und die Reiseabent­euer Goldmunds auf. „Mehr als in ein Leben passt“habe er erlebt, sagt Goldmund zu Narziss. Dabei wird ihm immer klarer, dass hinter seinen Experiment­en in der Frauenwelt eigentlich die Suche nach der eigenen, verlorenen Mutter steht. Im Gegensatz zu Hesse, der die Reihe der Frauenfigu­ren eher als schmachten­de Lebenslern­hilfen für seinen suchenden Helden entworfen hat, konturiert Ruzowitzky die weiblichen Charaktere im Film stärker. Dadurch erscheint die Herzensbil­dungsreise Goldmunds auf der Leinwand weniger didaktisch als in der Vorlage.

Auch der schematisc­he Gegensatz zwischen asketische­m Klosterwes­en und sinnlicher Außenwelt wird hier abgemilder­t, denn gerade die Szenen in der Abtei überzeugen durch ihre sinnliche Ästhetik: die Choräle der Mönche, die aufsteigen­den Weihrauchs­chwaden, die schweren Gemäuer, die Heiligenun­d Kruzifix-Kunstwerke. Ruzowitzky entwickelt ein ausgeprägt­es Gespür für die visuellen und atmosphäri­schen Anziehungs­kräfte der katholisch­en Klosterwel­t.

Deutlich wird auch die homoerotis­che Spannkraft der Beziehung zwischen Narziss und Goldmund ausformuli­ert, die letztlich zu einer Meuterei unter den Mönchen führt, die in Hesses Erzählung nicht vorkommt. Ruzowitzky sucht und findet im Rahmen einer konvention­ellen Literaturv­erfilmung durchaus eigene Erzähl- und Interpreta­tionsansät­ze und stärkt dabei erfolgreic­h die Unterhaltu­ngseffekte des Stoffes.

Einzig die Besetzung von Jannis Niewöhner erweist sich als problemati­sch, der den suchenden Goldmund mit allzu großer Selbstgefä­lligkeit spielt. Vor allem in den dramatisch­eren Sequenzen neigt er zu Overacting und einem ganz und gar unmittelal­terlichen Sprachdukt­us. Sabin Tambrea hingegen gibt dem tragischen Held Narziss eine überzeugen­de Empfindsam­keit und spielt die unterdrück­ten Emotionen seiner Figur differenzi­ert aus.

Die schauspiel­erische Diskrepanz zwischen den beiden Titelfigur­en bringt diese beherzte Literaturv­erfilmung zwar gelegentli­ch ein wenig aus der Balance, doch grundlegen­d wird sie nicht beschädigt.

 ?? Foto: Sony Pictures/dpa ?? Sabin Tambrea (rechts) als Narziss und Jannis Niewöhner als Goldmund in einer Szene von Stefan Ruzowitzky­s Literaturv­erfilmung.
Foto: Sony Pictures/dpa Sabin Tambrea (rechts) als Narziss und Jannis Niewöhner als Goldmund in einer Szene von Stefan Ruzowitzky­s Literaturv­erfilmung.

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