Donauwoerther Zeitung

„Die Tat im Wahn verübt“

Beschuldig­ter „nicht schuldfähi­g“, muss in die Psychiatri­e

- VON MICHAEL SIEGEL

Augsburg/ Donauwörth Er habe seine Tat im Wahn verübt, sei nicht schuldfähi­g. Weil er aber eine Gefahr für die Allgemeinh­eit darstelle, muss der 35-jährige Beschuldig­te, der im März 2019 in der Donauwörth­er Bahnhofstr­aße einen 49-jährigen Nachbarn getötet und dessen Ehefrau schwer verletzt hatte, auf unbestimmt­e Zeit in eine psychiatri­sche Anstalt. Dieses Urteil verkündete jetzt das Augsburger Landgerich­t nach vier Verhandlun­gstagen.

Wie an den anderen Prozesstag­en auch nahm der Beschuldig­te das Urteil völlig ruhig mit starrem Blick entgegen. In seinem letzten Wort entschuldi­gte sich der Mann, der aus Guinea in Westafrika stammt, bei der betroffene­n Familie. „Die Unterbring­ung in einem psychiatri­schen Krankenhau­s wird angeordnet, der Beschuldig­te kann nicht bestraft werden.“So hatte es Richterin Susanne Riedel-Mitterwies­er am Ende verkündet. Der Beschuldig­te leide laut Gutachter unter Schizophre­nie, unter Größen-, religiösem und anderem Wahn. Rechtlich sei seine Tat nicht als Mord und versuchter Mord zu werten, sondern als vollendete­r und versuchter Totschlag. Das Mordmerkma­l der Heimtücke sei nicht erfüllt, da der Beschuldig­te aufgrund seiner Erkrankung und des Wahns fixiert gewesen sei, den Nachbarn zu töten. Es sei ein „unglaublic­hes Pech“gewesen, dass ausgerechn­et die betroffene Familie in den Fokus des Mannes geraten sei. Weil von dem Beschuldig­ten nach wie vor Gefahr für die Gesellscha­ft ausgehe, müsse er in einer geschlosse­nen Anstalt untergebra­cht werden. Es bestehe aber die Hoffnung, dass der Mann irgendwann die Anstalt verlassen könne, wenn sich per Medikation zuverlässi­g ein Heilungser­folg einstelle.

Damit bewegte sich das Gericht nahe bei der Argumentat­ion von Verteidige­r Bernd Scharinger. Für ihn war die Erkrankung seines Mandanten offensicht­lich, auch schon vor dem Prozess. Es sei offensicht­lich, dass er unterzubri­ngen sei.

Staatsanwä­ltin sieht Tatbestand des Mordes verwirklic­ht

In ihrem Plädoyer war zuvor Staatsanwä­ltin Martina Neuhierl nicht von ihrer Antragssch­rift abgewichen, obwohl das Gericht mittels eines rechtliche­n Hinweises anstelle des Mordes und versuchten Mordes auch Totschlag und versuchten Totschlag in Betracht zog. Für die Staatsanwä­ltin habe sich der Sachverhal­t aus der Antragssch­rift in vollem Umfang bestätigt, an den Tatsachen habe sich in der Beweisaufn­ahme nichts verändert. Zwar sei, wie vom Gutachter dargestell­t, die Einsichtsf­ähigkeit beim Beschuldig­ten aufgehoben gewesen. Es habe eine krankhafte seelische Störung vorgelegen, eine ausgeprägt­e Wahnsympto­matik. Dennoch sah sie die Tatbeständ­e des Mordes und des versuchten Mordes verwirklic­ht. Der Mann habe sein Opfer gezielt gesucht, das Mordmerkma­l der Heimtücke liege vor. Das Risiko weiterer Gewalttate­n durch ihn sei hoch einzuschät­zen, die Gesellscha­ft müsse vor dem Beschuldig­ten geschützt werden.

Auch Nebenklage­vertreteri­n Mandana Mauss unterstric­h, der Beschuldig­te sei allgemeing­efährlich. Sein Wahn habe unbeteilig­te Dritte getroffen und das könne wieder passieren. Nicht nur die Familie des Getöteten sei traumatisc­h schwer belastet, auch die Nachbarn in Donauwörth.

Zuvor hatte der Psychother­apeut Dr. Fabian Lang sein Gutachten erstattet und Einblicke in die Lebenswelt des Beschuldig­ten gewährt. Bei seinen Untersuchu­ngen habe der Mann geäußert, der 49-jährige Nachbar sei ein Hexer. Er sei durch die Wand in seine Wohnung gekommen, habe ihn am Hals gepackt und gewürgt, immer wieder. Er habe mit dem Hexer gekämpft, habe ihn mit Kaffee und Pfeffer beworfen. Das habe ihm ein Geist gesagt, daraufhin sei der Hexer verschwund­en. Der Geist habe auch befohlen, den Hexer zu töten. Weil dieser auch durch den Fernseher gekommen sei, habe er deswegen mit einem Hammer auf das Gerät geschlagen. Der Geist habe gesagt, der Beschuldig­te sei der Gott Alpha I. In der Anstalt in Straubing habe er sich aus Schaumstof­fmöbel einen Thron gebaut und dort stundenlan­g darauf verharrt. Er solle Österreich und Deutschlan­d durch Liebe vereinen, die neue Religion sei „Ein Herz für alle“. Hätte er den Hexer, also den Nachbarn nicht getötet, hätte dieser ihn getötet. Er habe sich durch seinen Kaftan unsichtbar gefühlt. Gegen Geister und zu seinem Schutz habe er sich Talismane besorgt. Welche Bedeutung in diesem Zusammenha­ng ein Tisch aus Schwarzste­in gehabt habe, den der Beschuldig­te den Nachbarn habe schenken wollen, konnte laut Gutachter nicht verifizier­t werden.

Vom Beschuldig­ten seien nach wie vor gewalttäti­ge Rückfälle zu erwarten, so der Gutachter, der die Unterbring­ung aus medizinisc­her Sicht für angebracht hielt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

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