Donauwoerther Zeitung

Nähen gegen Corona

Pflegekräf­ten in der Region fehlt es an Schutzmate­rial gegen das Virus. Freiwillig­e nähen Schutzmask­en. Derweil fehlt es jedoch an ganz speziellem Material

- VON THOMAS HILGENDORF UND FABIAN KAPFER

Landkreis Anita Riedelshei­mer schlägt Alarm: Bei einem bestätigte­n Covid-19-Notfall würden die wirklich sicheren Atemschutz­masken „nur wenige Stunden“reichen. 20 Stück haben die Mitarbeite­r der Caritas-Sozialstat­ion in Monheim noch, doch allein 90 bis 100 Patienten müssen die Pflegekräf­te tagtäglich zu Hause versorgen. „Wenn wir einen bestätigte­n Corona-Fall hätten, kämen wir in arge Bedrängnis“, sagt die Pflegerin. Und sie fügt hinzu: „Wir könnten dann die Versorgung nicht mehr sicherstel­len.“Die Pflegedien­ste bräuchten Material. Und zwar dringend.

Was die profession­ellen Pfleger vor allem benötigten, das seien die sicheren Mund-/Nasenschut­z-Masken der Klassifizi­erung FFP2/3. Viele Freiwillig­e nähen derzeit in der Region Mundschutz­masken. Pflegekraf­t Riedelshei­mer hat hierzu eine differenzi­erte Meinung: Für den Privatgebr­auch, etwa um andere – und sich selbst auch ein wenig – zu schützen, seien die selbst genähten Schutzmask­en „vollkommen okay“. Aber man dürfe in der derzeit wichtigen Sachdiskus­sion nichts vermischen: Wo der gesunde Privatmann unter Einhaltung der Abstandsre­gelungen durchaus ein Ansteckung­srisiko wenigstens ein Stück weit reduzieren könnte, muss eine Pflegekraf­t, die womöglich noch mit einem Infizierte­n zusammenar­beitet oder selbst unbemerkt infiziert ist, ganz andere Regeln einhalten. Fazit: So löblich das Nähen ist, so sehr es auch vielleicht einen gewissen Schutz bieten könnte – es führe kein Weg vorbei am ProfiMater­ial des Standards FFP.

Doch auch hinsichtli­ch in der Pflege zu verwendend­en Masken – abseits eines Corona-Falls – gibt es ehrenamtli­che Aktivitäte­n. In Donauwörth hat der Mangel an Mundschutz­en und Atemmasken dazu geführt, dass die Bürger selbst aktiv geworden sind. Initiiert von Lavinia Boldt und Heike Klauser sind mittlerwei­le knapp 20 ehrenamtli­che Näherinnen dabei, Masken herzustell­en. Das sei alles ehrenamtli­ch und vor allem für die Region Donauwörth. Organisier­t habe man sich über die öffentlich­e Facebookgr­uppe „Coronahilf­e Donauwörth“, wie Boldt erklärt: „Aufgrund der aktuellen Lage haben wir uns über das Internet organisier­t und vor etwa eineinhalb Wochen dieses Projekt gestartet. Unsere Näherinnen nähen alle von zu Hause aus und zahlen das Material zum Großteil selbst.“Ziel sei es durchaus, zunächst den systemrele­vanten Berufen wie Arztpraxen, Pflegeheim­en oder der Feuerwehr genügend Mundschutz­masken zur Verfügung zu stellen, aber auch Risikogrup­pen und andere Bürger sollen die Möglichkei­t haben, eine Maske zu erhalten. „Um das zu verwirklic­hen, brauchen wir aber noch mehr Näherinnen. Da sprechen wir von einer Zahl von mehr als 60 Helferinne­n, um diesen Plänen gerecht zu werden“, betont Boldt.

Für die Materialbe­schaffung ist vor allem Heike Klauser zuständig. Die Physiother­apeutin suchte selbst über die Gruppe nach Atemschutz­masken, die sie benötigt, um ihre Praxis weiter öffnen zu dürfen. Klauser berichtet: „Aus einer Suchanfrag­e, die ursprüngli­ch darauf zielte, meine Mitarbeite­r mit Masken auszustatt­en, ist dann ein richtiges Projekt geworden. Damit wir auch die Richtlinie­n bei den medizinisc­hen Masken erfüllen, habe ich mich bei Kollegen erkundigt und dann eine Spezialbau­mwolle gekauft.“Auch wenn sie Lavinia Boldt nur über das Netz kennt, arbeiten beide sehr gut zusammen, so Klauser weiter: „Das ist schon kurios, wir haben uns noch nicht einmal gesehen. Aber wir haben mittlerwei­le fast eine kleine Firma aufgebaut. Allerdings ist alles ehrenamtli­ch, die

Näherinnen wollen keinen Cent für die Masken. Wir freuen uns über Spenden, wollen damit aber nur die Materialko­sten decken.“Wenn etwas Geld übrig bleiben sollte, werde es an eine Gesellscha­ft für Kinderkreb­sforschung gespendet.

Sami Fuentes ist eine der ehrenamtli­chen Näherinnen. Sie hat bereits 50 Masken produziert: „Ich bin dieser Gruppe beigetrete­n und habe dann den Aufruf gesehen. Da war klar, dass ich mich da auch engagieren möchte.“Pro Maske brauche sie etwa 10 bis 15 Minuten, ausgeliefe­rt habe sie schon einige an eine Ergotherap­ie im Maximilium und an eine Arztpraxis, erklärt Fuentes.

Ausgegeben werden in Donauwörth die Masken im Jugendzent­rum in der Zirgesheim­er Straße dienstags und donnerstag­s von 16.30 bis 18 Uhr – allerdings nur auf Vorbestell­ung.

In Nördlingen sind es derweil schon fast 150 Freiwillig­e, die Mundschutz-Masken nähen – und bei der Stiftung St. Johannes in Schweinspo­int und Donauwörth wurden bis dato 400 bis 500 Masken für den Eigenbedar­f bei der Arbeit mit den behinderte­n Menschen produziert, so stellvertr­etende Geschäftsf­ührerin Doreen Paus.

Derweil muss sich Pflegerin Riedelshei­mer leider noch mit ganz anderen Problemen herumschla­gen. „An manchen Haustüren, an die wir Pfleger kommen, haben Angehörige Zettel hingehängt, auf denen steht: „Betreten ohne Maske verboten“. Und teils erhalten wir bitterböse Botschafte­n wie: „Ihr habt doch genug Geld von uns, um endlich Masken anzuschaff­en.“Man sei „den ganzen Tag am Deeskalier­en“. Was sie dann beruhigt: Die Patienten selbst seien, im Gegensatz zu einigen Angehörige­n, „zu 99,9 Prozent“ruhig und freundlich. Vorige Woche

 ?? Foto: Lena Geisler ?? Sami Fuentes ist eine der freiwillig­en Donauwörth­er Näherinnen, die Mundschutz produziere­n.
Foto: Lena Geisler Sami Fuentes ist eine der freiwillig­en Donauwörth­er Näherinnen, die Mundschutz produziere­n.

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