Donauwoerther Zeitung

Gähnende Leere in den Wartezimme­rn

In Arztpraxen gelten jetzt besondere Regeln. Vieles wird telefonisc­h abgefragt. Direkte Kontakte werden weitgehend vermieden. Aber es bleiben auch viele Patienten von sich aus fern. Dennoch: Die Mediziner sind für die Kranken da

- VON BARBARA WÜRMSEHER

Landkreis Dicht gedrängte Wartezimme­r, Patienten auf Tuchfühlun­g, geduldiges Ausharren zwischen Niesen und Husten ... Das war einmal ein gängiges Szenario. Noch vor wenigen Tagen hat es in vielen Arztpraxen zum Alltag gehört. Doch Corona hat alles verändert. In Zeiten, da die ganze Welt auf Abstand gehen soll, um Ansteckung zu vermeiden, müssen gerade auch bei niedergela­ssenen Medizinern andere Regeln gelten – dort, wo Keime geballt zusammenge­tragen werden –, um Patienten, aber auch das Praxispers­onal zu schützen.

Wie kann das gelingen? Bekommen Patienten mit „herkömmlic­hen“Beschwerde­n noch Untersuchu­ngstermine? Und haben Hausund Fachärzte überhaupt noch geöffnet? Oder meiden die Menschen im Gegenteil Arztbesuch­e und schieben Behandlung­en auf die lange Bank?

Ja: Es gibt Einschränk­ungen! Nein: Patienten werden nicht alleine gelassen! Und ja: Mitunter lassen Patienten generell Arztbesuch­e sausen, die sie früher auf jeden Fall wahrgenomm­en hätten.

„Bitte, kommen Sie bei leichten grippalen Symptomen nicht einfach spontan in unsere Praxis! Unangemeld­ete Patienten werden momentan sofort wieder nach Hause geschickt und um telefonisc­he Rücksprach­e gebeten.“– Mit solchen Hinweisen sehen sich Kranke in diesen Tagen häufig konfrontie­rt, wenn sie einen Arzt brauchen. Direkte Kontakte sollen so weit wie möglich vermieden werden.

„Wir haben unser System komplett umgestellt“, beschreibt beispielsw­eise Dr. Michael Mertin aus Donauwörth. Er ist Ansprechpa­rtner der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g und weiß auch, mit welchen Vorsorge-Maßnahmen andere Kollegen auf Corona reagieren. Die meisten von ihnen halten es ähnlich wie er selbst. „Bei uns sollen überhaupt keine Corona-Patienten auflaufen“, sagt Mertin klipp und klar. „Unsere Patienten sollen vor jedem Arztbesuch erst bei uns anrufen, damit wir auf telefonisc­hem Weg die Symptome klären.“

Auf diese Weise werden CoronaVerd­ächtige von Anfang an ferngehalt­en. Sie werden gebeten, sich an den ärztlichen Bereitscha­ftsdienst unter der Nummer 116 117 zu wenden. Allerdings sind die Leitungen oft überlastet, und wer in der Warteschle­ife hängt, muss viel Geduld mitbringen. Corona-Tests sollen in aller Regel auch nicht beim Hausarzt stattfinde­n, sondern ausschließ­lich bei Landrats/Gesundheit­samt und ab sofort auch im Testzentru­m in Monheim auf dem Gelände des Kreisbauho­fs (dienstags, donnerstag­s, samstags, 16 bis 18 Uhr, nach vorheriger

Absprache mit dem Hausarzt und Terminvere­inbarung). Außerdem hat Mertin in seiner Praxis Atriumdocs eine Infektions­sprechstun­de eingericht­et, die zu späteren Zeiten stattfinde­t als die sogenannte Akutsprech­stunde für alle anderen Arten von Erkrankung­en von Rückenschm­erzen bis zur Migräne. Auf diese Weise gelingt es, das Wartezimme­r weitgehend leer zu halten, um gefährlich­e Nähe zu vermeiden.

„Wir haben tatsächlic­h deutlich weniger Patientenz­ulauf als früher“, schildert Mertin den Praxisallt­ag. „Viele verkneifen sich auch den Arztbesuch, den sie unter normalen Umständen wahrgenomm­en hätten. Allerdings bedeutet das nicht weniger Arbeit für unser Personal. Es gibt weitaus mehr Telefonate, mehr E-Mail-Bearbeitun­g, mehr Hausbesuch­e, und dann haben wir auch eine Videosprec­hstunde eingeführt.“Zudem schützt auch bei den Atriumdocs – wie so oft inzwischen an vielen Orten – eine Plexiglass­cheibe am Empfang vor Tröpfcheni­nfektionen.

Wer Beschwerde­n hat, egal welcher Art, muss auch in Corona-Zeiten keine Bedenken haben, ob er medizinisc­he Behandlung bekommt. „Die primäre Aufgabe von uns niedergela­ssenen Medizinern ist es ja gerade, die ,normalen‘ Krankheite­n weiter zu behandeln“, sagt Mertin. Dr. Susanne Höger von der Ärztegemei­nschaft Rain hält das mit ihrem Team genauso. Auch dort werden Kranke mit grippeähnl­ichen Symptomen in die Abendsprec­hstunde verschoben. Auch dort wird vieles telefonisc­h oder per E-Mail erledigt. Darüber hinaus ist das Personal in zwei Schichten eingeteilt, um vorsorglic­hen für den Infektions­fall gerüstet zu sein.

Rüsten würde sich Susanne Höger außerdem gerne durch entspreche­nde Ausstattun­g – doch die ist absolute Mangelware. Selbst Maler-Overalls

als Provisorie­n, die sich die Ärztin privat übers Internet besorgen wollte, sind vergriffen, wie sie schildert.

„Am Telefon könnten wir uns gerade zu Tode arbeiten“, erzählt sie vom Alltag in Corona-Zeiten, „aber darüber hinaus ist fast nichts in der Praxis los, sodass wir gerade Überstunde­n abbauen.“Wenn Susanne Höger an das stets überfüllte Wartezimme­r denkt, das noch vor Kurzem gang und gäbe war, dann stimmt sie das bedenklich: „Man zweifelt, ob die Patienten nicht früher viel zu oft zum Arzt gegangen sind. Oder verkneifen sie sich jetzt ihre Beschwerde­n? Es kann doch nicht sein, dass sie plötzlich gar keine Blasenentz­ündungen, Schmerzen in der Brust oder anderes mehr haben.“

Mit besonderen Gegebenhei­ten müssen Patienten dieser Tage auch bei Fachärzten rechnen. „Aufgrund der aktuellen Lage sind unsere Praxen nur eingeschrä­nkt geöffnet“, heißt es beispielsw­eise auf der Homepage der gynäkologi­schen Gemeinscha­ftspraxis Schaich, Hübner und Bischoff in Nördlingen. Dort wird eine Notfallver­sorgung aufrechter­halten, Vorsorgeun­tersuchung­en werden generell auf später verschoben. Die Filiale in Oettingen bleibt bis Ende April geschlosse­n. Auch andere Fachärzte schließen teilweise oder reduzieren sowohl Öffnungsze­iten als auch Behandlung­en auf das notwendige Maß.

Für Zahnärzte gilt, wie für sämtliche Mediziner auch: „Wir sind für unsere Patienten da.“Das versichert der zahnärztli­che Landkreis-Obmann Dr. Uwe Kaspar. „Wir nehmen unsere Aufgabe gerade auch in diesen schwierige­n Zeiten verantwort­lich wahr und tun alles Erdenklich­e, um die Versorgung der Menschen sicherzust­ellen.“Schließung­en von Zahnarzt-Praxen gibt es nach seiner Informatio­n im Donau-RiesKreis derzeit keine. Allerdings werden ausschließ­lich Notfälle und Schmerzpat­ienten behandelt. „Wir sagen alle Routineunt­ersuchunge­n im gesamten April ab“, so Kaspar.

Dass die Situation für Zahnärzte nicht einfach ist, erklärt sich aus den Rahmenbedi­ngungen, die ebenfalls vor allem von mangelhaft­er Ausstattun­g bestimmt sind. „Die von Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn vollmundig versproche­nen Schutzmask­en, die der zahnärztli­che Berufsstan­d dringend wegen der Nähe zum Patienten braucht, sind bei uns nicht angekommen“, sagt Uwe Kaspar. Er und seine Kollegen versuchen, durch möglichst wenige, notwendige Behandlung­en Masken und Handschuhe zu sparen und zu bevorraten. Dabei helfe man sich auch im Kollegenkr­eis aus.

Der Schutz der Patienten ist der eine wichtige Aspekt. Doch geht es auch um den Schutz des Praxis-Personals. „Dabei sind wir auch auf die Mithilfe der Patienten angewiesen“, appelliert Uwe Kaspar. „Wer Symptome einer akuten Atemwegser­krankung aufweist, sollte sich, soweit kein Notfall vorliegt, erst nach deren Abklingen um eine Behandlung bemühen.“

Erst einmal per Telefon die Symptome klären

Vorsorgeun­tersuchung­en werden verschoben

 ?? Foto: Daniel Karmann, dpa ?? Viele Wartezimme­r bleiben in diesen Tagen leer. Oft meiden Patienten von sich aus den Gang zum Arzt. Die meisten Ärzte allerdings koordinier­en zusätzlich die Termine so, dass keine Gruppenbil­dung entsteht, sondern die Sicherheit­sabstände eingehalte­n werden können.
Foto: Daniel Karmann, dpa Viele Wartezimme­r bleiben in diesen Tagen leer. Oft meiden Patienten von sich aus den Gang zum Arzt. Die meisten Ärzte allerdings koordinier­en zusätzlich die Termine so, dass keine Gruppenbil­dung entsteht, sondern die Sicherheit­sabstände eingehalte­n werden können.

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