Obama meldet sich zurück
Lange hat der Ex-Präsident geschwiegen. Nun wirbt er offen für die Kandidatur seines Ex-Vize. Und nicht nur das
Lange hatte Barack Obama das Rampenlicht gemieden. Nun wirbt der ehemalige Präsident im US-Wahlkampf in einer Videobotschaft offen für die Kandidatur seines Ex-Vize Joe Biden. Den ganzen Text lesen Sie in der
Washington Den Namen seines Nachfolgers erwähnt er nicht. Doch als Barack Obama nach zwölf Minuten seine Videobotschaft beendet, besteht kein Zweifel daran, gegen wen er die US-Amerikaner mobilisieren will: „Die Krise erinnert uns daran, wie wichtig gute Regierungsarbeit ist“, hat der Ex-Präsident gesagt. „Gerade jetzt ist es wichtig, Anführer zu haben, die informiert und ehrlich sind und die die Menschen zusammenbringen statt sie auseinanderzutreiben.“Das klingt so ziemlich nach dem Gegenbild von Donald Trump.
Lange hat Obama das Rampenlicht gemieden. Der 58-Jährige schreibe an seinen Memoiren, hieß es. Zum Vorwahlkampf der Demokraten schwieg der mit Abstand populärste Politiker der Partei bemerkenswert konsequent – bis zu diesem Dienstag, an dem er im dunklen Sakko und mit offenem Hemd vor einem Bücherregal zur Unterstützung von Joe Biden aufruft, der acht Jahre sein Stellvertreter war: „Joe hat den Charakter und die Erfahrung, uns durch unsere dunkelsten Zeiten zu leiten“, wirbt Obama.
Für Biden kommt der Ritterschlag des Elder Statesman zur rechten Zeit. Nach einem holprigen Start in die Vorwahlen hat sich das Bewerberfeld gelichtet. Vorige Woche ist mit Bernie Sanders der letzte Mitbewerber ausgestiegen. Am Montag rief der linke Senator offiziell zur Stimmabgabe für Biden auf. Damit steht dieser im Grunde als Trump-Herausforderer fest.
Doch der Ex-Vizepräsident agiert in schwierigem Umfeld. In der Corona-Krise gibt es keine Kundgebungen, die nächsten Vorwahlen sind vertagt. Während Amtsinhaber Trump die Pandemie zu täglichen, oft mehr als zweistündigen EgoShows nutzt, hockt Biden im Keller seines Hauses in Delaware und sendet aus einem improvisierten Fernsehstudio Videobotschaften, die einen begrenzten Widerhall finden.
Barack Obama hingegen ist für viele Amerikaner ein Popstar, dessen Beliebtheit allenfalls von seiner Frau Michelle übertroffen wird. Mehr als sechs Millionen Mal ist sein Videoclip binnen weniger Stunden abgespielt worden. Eigentlich, berichten US-Medien, habe Obama mit Biden gemeinsam auftreten wollen, in einem Saal voller begeisterter Anhänger, mit gemeinsam hochgerissenen Armen. Das ist in CoronaZeiten tabu. Doch der ruhige Auftritt des ergrauten Politikers hat eine eindrückliche Wirkung: Nach drei Jahren der immer lauteren, schrilleren, aggressiveren Töne spüren viele, wie wohltuend ein Präsident sein kann, der reflektiert und zivilisiert über Inhalte redet und das Land zu einen sucht.
Ganz so untätig, wie es wirkte, scheint Obama doch nicht gewesen zu sein. Hinter den Kulissen soll er sich schon beim Rückzug von Pete Buttigieg und Amy Klobuchar engagiert haben. Mit Sanders, zu dem er ein eher kühles Verhältnis hatte, soll er vier Mal über dessen Ausstieg gesprochen haben. Ideologisch liegt der moderate Biden eher auf Obamas Linie. Trotzdem soll Obama anfangs die Kandidatur des 77-Jährigen skeptisch gesehen haben. Jetzt aber übernimmt Obama die Rolle desjenigen, der nach den internen Kämpfen die Partei einen will. Er wirbt engagiert für den Menschenfreund Biden und preist dessen Arbeit in seiner Regierung an, doch zugleich nennt er den unterlegenen Sanders ein „amerikanisches Original“, das den Hoffnungen und Sorgen der Arbeiterschaft eine Stimme gegeben und viele junge Anhänger mobilisiert habe. „Unterstützt uns!“, fordert Obama am Ende: „Unterstützt Joe!“Arbeitsgruppen von Sanders und Biden arbeiten bereits an gemeinsamen Positionen zu wichtigen Politikfeldern. Und Obamas Appell klingt so, als sei dies nicht der letzte Auftritt des Ex-Präsidenten im Wahlkampf gewesen.