Sollen die Sommerferien wegen Corona verkürzt werden?
Mit dieser Reaktion war zu rechnen. „Unfair!“, empört sich meine Tochter, 6. Klasse. Auf keinen Fall die sechs Wochen Sommerferien kürzen, statt dessen gar in die Schule gehen! Das ganze Jahr freue man sich auf die Sommerferien, und dann… Stimmt schon, man erinnert sich, auch wenn’s schon Jahrzehnte zurückliegt, vom ersten Tage eines jeden neuen Schuljahrs hat man den „großen Ferien“entgegengefiebert.
Aber nun ist CoronaZeit und alles ganz anders. Schon jetzt sind die Schüler – Osterferien miteingerechnet – seit rund einen Monat „draußen“. Und das wird auch weitergehen, erst recht für diejenigen, die nicht in Abschlussoder Übertrittsklassen sind, also die Mehrheit. Da wird es sehr wahrscheinlich noch über den 11. Mai hinaus dauern, bis zu diesem Datum schon eine stattliche siebenwöchige nichtschulische Strecke.
Aber gibt es nicht Homeschooling, sind die nach Hause geschickten Schüler nicht angehalten, daheim zu lernen? Ja. Aber wenn man sich anschaut, wie das in der Praxis läuft, lässt einen das an der Effektivität des zumeist digital vermittelten Lernens zweifeln. Räumt sogar meine Tochter ein: Richtiger Unterricht sei das nicht.
Hält man sich zudem vor Augen, welchen Lernaufwand dieser Hausunterricht mit sich bringt – ganze Fächer fallen unter den Tisch – kommt man um die Erkenntnis nicht herum, dass gar nicht wenig freie Zeit für die solcherart „Beschulten“bleibt. Ein tägliches kleines Stück Ferien. Das durch vielleicht zwei Wochen kürzere Sommerferien wieder abgegolten werden könnte. Denn dass in die Schule gehen und etwas lernen grundsätzlich Gewinn bedeutet, darüber braucht man ja nicht zu diskutieren.
Die Sommerferien verkürzen. Eine grandiose Idee, wenn man das ohnehin schon anspruchsvolle Projekt Homeschooling auf schnellstem Wege zum Scheitern bringen möchte. Die Lernmotivation nämlich ist eine sehr zarte Pflanze, schnell geknickt und vertrocknet. Und dieser Vorschlag wirkt in etwa so wie eine ordentliche Portion Roundup! Großflächig gesprüht, wächst erst einmal nichts mehr. Denn die äußerst demotivierende Botschaft dahinter: Ihr mögt brav zu Hause eure Aufgaben erledigen, liebe Kinder und Jugendliche, ja vielleicht sogar abends auch noch Vokabeln pauken, es reicht nicht. Es ist nicht genug. Ihr müsst alle nachsitzen … Wessen Kind da noch fröhlich summend weiterlernt, der sollte jedenfalls für unverschämtes Elternglück danken. Und im Subtext des Vorschlags steht ja im Grunde auch: Liebe Lehrer, schön, was ihr euch da alles ausgedacht habt fürs Unterrichten über Handy und Computer, dennoch: ungenügend! Statt also zusätzliche Schulwochen anzuberaumen, die von jenen Schülern, die im Unterricht gerne an anderes Wichtigstes denken, vermutlich genauso weiter genutzt werden, sollte man lieber über Alternativen diskutieren. Beispielsweise über Angebote für Kinder, die sich in dieser verrückten Zeit mit dem Lernen schwergetan haben. Ferienkurse als Option, aber nicht als Verpflichtung. Vielleicht verkraftet der Lehrplan auch die eine oder andere Streichung: Wie funktioniert eine Kläranlage, Viertklassstoff, nur so als Beispiel. Außerdem: Wenn auch nicht für die Schule, fürs Leben wird gerade jede Menge gelernt. Möge also der Sommer groß sein. Und die Ferien auch!