Donauwoerther Zeitung

Eine Flut von Beweisantr­ägen

Landgerich­t setzt im Mai fünf weitere Verhandlun­gstermine an

- VON MICHAEL SIEGEL

Birkhausen/Augsburg Antragssta­kkato im Birkhauser Gülle-Prozess. Nachdem das Augsburger Landgerich­t in dem Verfahren gegen einen 55-jährigen Landwirt, der seine 51-jährige Ehefrau umgebracht haben soll, ein Fristende für Beweisantr­äge festgesetz­t hatte, ging die Verteidigu­ng in die Vollen: Nicht weniger als zehn Beweisantr­äge und Gegenvorst­ellungen formuliert­en die Anwälte Peter Witting und Nico Werning, um die Unschuld ihres Mandanten nachzuweis­en. Damit wurden in dem Verfahren bereits fast 60 Beweisantr­äge gestellt und behandelt. Nicht zuletzt, um dem Arbeitsanf­all gerecht werden zu können, hat das Gericht jetzt bis Ende Mai fünf weitere Verhandlun­gstermine anberaumt. Anfänglich war das Verfahren lediglich bis zum 6. Mai terminiert.

Ein erkennbare­s Ziel vieler Beweisantr­äge der Verteidigu­ng ist es, die mutmaßlich­e Chronologi­e eines unterstell­ten Verbrechen­s in Zweifel zu ziehen. Die Staatsanwa­ltschaft wirft dem Angeklagte­n Mord aus Habgier vor, sie geht davon aus, dass der Mann am Vormittag des 20. September 2018 nach der Erledigung von Gülle-Ausbringea­rbeiten seine Ehefrau niedergesc­hlagen und an die Güllegrube gelegt habe. Um einen tödlichen Unfall vorzutäusc­hen, soll die Frau nachträgli­ch mit Gülle übergossen worden und diese ihr zudem eingeflößt worden sein. Der Angeklagte, der vor Gericht zur Sache keine Angaben macht, weist den Mordvorwur­f von sich und beruft sich auf ein Unfallgesc­hehen.

Zunächst hatte das Gericht wiederholt mehrere Beweisantr­äge der Verteidigu­ng aus vorangegan­genen Verhandlun­gstagen abgelehnt. Entweder deswegen, weil der zu beweisende Umstand bereits anderweiti­g geklärt worden sei. Oder deswegen, weil der zu beweisende Tatbestand – etwa, wie sehr die Finger der Toten generell mit Gülle und Ähnlichem verschmutz­t gewesen waren – für die Umstände am Tag ihres Todes unerheblic­h seien.

Rechtsanwa­lt Witting verwahrte sich gegen ein vom Gericht festgelegt­es Fristende für Beweisantr­äge; die Verteidigu­ng werde sich nicht nehmen lassen, hiermit bei Erlangung neuer Erkenntnis­se auch weiterhin zu arbeiten. Und dann legten Witting und Werning mit nicht weniger als zehn neuen Anträgen nach. So sei etwa laut Rechtsanwa­lt Werning bis heute kein Behältnis gefunden worden, mit welchem, wie von der Anklage vermutet, der toten Ehefrau Gülle eingeflößt und sie übergossen worden sein könnte. Zwei Gießkannen, die im Bereich der Güllegrube gefunden worden waren, sollten gutachterl­ich untersucht werden, um klarzustel­len, dass diese dafür nicht verwendet worden seien.

In einem weiteren Antrag wollte Verteidige­r Witting aufgeklärt wissen, wie es zu Gülleantra­gungen an der

Leiche der Frau sogar unter der getragenen Kleidung habe kommen können. Derjenige Zeuge, der als einer der ersten am Ort des Geschehens der leblos am Boden liegenden Frau die Gülle mit Wasser aus einem Schlauch aus dem Gesicht gewaschen hatte, solle erneut vernommen werden, um klarzustel­len, dass sein Tun keinesfall­s Gülleantra­gungen am ganzen Körper erklären könne.

Ein wichtiger Bereich ist nach wie vor die Chronologi­e am Vormittag des Geschehens. Mit mehreren Anträgen wollte die Verteidigu­ng aufgeklärt wissen, dass allein schon aus zeitlichen Gründen eine Täterschaf­t ihres Mandanten ausscheide. Deswegen, weil zum einen die 51-Jährige von Zeugen noch wenige Minuten vor 11 Uhr über den Hof laufend gesehen worden sei. Andere

Zeugen könnten zum anderen erneut bestätigen, dass der Angeklagte erst nach 11 Uhr mit seinem Traktor von der letzten Gülle-Ausbringef­ahrt zurück in Birkhausen gewesen sein könne. Somit sei bis zum Zeitpunkt des Auffindens der leblosen Frau durch den Angeklagte­n, seinen Notruf um genau 11.17 Uhr und dem Auslösen des Feueralarm­s am Ort einfach zu wenig Zeit für ein Verbrechen in der komplexen Form gewesen, das dem Angeklagte­n angelastet werde.

Nicht zuletzt beantragte die Verteidigu­ng, das Gutachten von Professor Oliver Peschel von der Rechtsmedi­zin aus München wegen Befangenhe­it abzulehnen. Peschel habe, so Verteidige­r Witting, vor Gericht nichts anderes getan, als seinen „Schnellsch­uss aus der Hüfte“vom Tag des Geschehens zu bestätigen. Er habe jedoch in keiner Weise andere mögliche Varianten geprüft, die zum Tod der 51-jährigen Bäuerin geführt haben könnten. Er sei von daher befangen. Diese letzten Anträge wurden vom Gericht nach geheimer Beratung abgewiesen. Entweder, so die bereits bekannte Begründung von der Vorsitzend­en Richterin Susanne Riedel-Mitterwies­er, sei der zu beweisende Sachverhal­t anderweiti­g bereits aufgearbei­tet worden oder er sei für das Verfahren nicht von Bedeutung.

Der Prozess soll am kommenden Mittwoch fortgesetz­t werden. Möglicherw­eise könnte dann mit den Plädoyers begonnen werden.

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Symbolfoto: Alexander Kaya

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