Nichts wie raus damit?
Weisheitszähne können viel Ärger machen. Was man gegen diese Störenfriede im Kiefer tun kann
Weisheitszähne sind ein rätselhaftes Übel: Keiner will sie, doch die meisten haben sie. „Warum es sie gibt, weiß keiner so genau“, sagt Prof. Torsten Reichert vom Uniklinikum Regensburg. Und weil für sie außerdem nicht so richtig viel Platz im Mund ist, müssen sie häufig gezogen werden.
Seit vielen 100000 Jahren haben die Menschen 32 Zähne, acht auf jeder Seite, unten und oben. Weisheitszähne sind die jeweils achten und stoßen zum Schluss durch. Bei unseren evolutionären Vorfahren gab es da noch keine Platzprobleme. Doch im Lauf der Evolution wurden Kopf und Gehirn größer, der Kauapparat dagegen kleiner.
„Es gibt Menschen, die mit allen Weisheitszähnen munter kauen können“, sagt Joachim Hüttmann, Zahnarzt in Bad Segeberg. Oft jedoch könnten sich die „Achter“nicht regulär einordnen. Viele wachsen dann gar nicht mehr heraus: „Wenn der Platz so eng ist, müssen die letzten nehmen, was übrig bleibt“, sagt Reichert. Manche bleiben sogar hängen und schauen nur mit einem Höcker durch die Schleimhaut. Probleme bereiten Weisheitszähne oft: Entzündungen und Spannungsgefühle sind ebenso möglich wie eine Auflösung des Knochens oder die Bildung einer Zyste um den Zahn. Auch können Nachbarzähne kippen oder Auflösungserscheinungen zeigen. Die Weisheitszähne brechen oft bis etwa zum 20. Lebensjahr durch. Eine Entfernung, sofern angezeigt, sollte bis zum 25. Geburtstag geschehen. „Dann sind die Wurzeln ausgeformt“, erklärt Hüttmann. Späteres Ziehen kann Komplikationen verursachen. Ziehen oder nicht? Zwei Gründe geben dafür den Ausschlag. Der Erste: Wenn es eine akute Komplikation beim Durchbruch gibt – eine Infektion um die Zahnkrone herum, die starke Schmerzen und Einschränkungen beim Mundöffnen verursacht. Und der Zweite: Wenn es wahrscheinlich ist, dass die Weisheitszähne irgendwann mal
Komplikationen machen werden. Die entsprechende Leitlinie der Fachgesellschaften wurde im Jahr 2019 geändert. „Bei einer schwierigen Lage des Zahnes wird nun ein dreidimensionales Röntgenbild gemacht“, so Hüttmann. „Am PC fährt der Arzt durch den Knochen und erkennt, ob es Kontakt zwischen dem Nerv und der Zahnwurzel gibt.“Der Nerv versorgt die Zähne einer Kieferhälfte und die halbe Unterlippe. Manchmal liegen die Zahnwurzeln eng am Nerv oder umfassen ihn sogar. „Wenn man den Zahn dann einfach rauszieht, reißt man den Nerv durch.“
Bereits vor 20 Jahren hat man aus den genannten Gründen die Weisheitszähne gezogen – „vielleicht jetzt aber tendenziell ein wenig eher“, sagt Reichert, der Direktor der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie am Uniklinikum Regensburg ist. Eine OP dauert unter lokaler Betäubung pro Zahn 10 bis 15 Minuten, bei sehr anspruchsvollen Zähnen kann sie sich bis zu 30 Minuten hinziehen.
„Letztlich entscheidet der Patient, ob der Zahn tatsächlich gezogen wird“, sagt Hüttmann. Manche lehnen das ab. „Aber man kann sich auf die Einschätzung eines erfahrenen Operateurs verlassen. Wenn ich sage, der Zahn macht irgendwann Ärger, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch.“Andere Patienten möchten sogar gleich alle vier Zähne auf einmal gezogen bekommen. „Der Arzt muss schauen, ob das sinnvoll ist“, sagt Reichert. „Und man hat ja eine gewisse Begrenzung beim Lokalanästhetikum.“Verteilt man das Ziehen auf zwei Sitzungen, einmal rechts, einmal links, „hat der Patient den Vorteil, dass er postoperativ noch auf einer Seite kauen kann.“